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Radikal, digital – brutal?

Der Verkauf von neun Print-Titeln an die Funke-Gruppe zeigt: Der Springer-Verlag meint es ernst mit seinen Digitalisierungsplänen. Gerade im Netz hat dieser Deal die Debatte um die Zukunft des Print-Journalismus neu befeuert. 

Die Schreiber-Welt zeigt sich erschüttert von dem 920 Millionen-Handel: Jeweils über 2.000 mal twitterten die User in den vergangenen 24 Stunden über „Springer“ und „Funke“. Dutzende Kommentare auf Webseiten großer Print-Medien und Blogs befassen sich mit den (vermeintlichen) Folgen: Während die einen darin den nächsten Spatenstich fürs Grab der Print-Medien sehen, ist es für die anderen ein längst überfälliger Schritt in Richtung Zukunft.

Sorgen um ihre Print-Kollegen machen sich vor allem Journalisten, die sich selbst schon eine digitale Zukunft als populäre Blogger aufgebaut haben. „Rette sich wer kann! Was jeder Journalist aus der Print-Amputation bei Springer lernen sollte“ ist etwa einer der beliebtesten Beiträge zum Thema, veröffentlicht von Journalist Karsten Lohmeyer in seinem Medienblog „LousyPenny“ Darin empfiehlt er Print-Kollegen es ihm gleich zu tun und sich lieber ein Online-Profil aufzubauen – der Artikel wurde schon über 600 mal getwittert.

Zum Auspressen bereit

„In diesem heißen Sommer erreicht das Sterben der Tageszeitungen und die Existenzgefährdung vieler Verlage eine neue Eskalationsstufe“ schreibt auch Journalist und Blogger Thomas Knüwer in seinem Artikel „Springer, Funke und das Schlimmste, das noch kommt„, der über 130 mal getwittert wurde und mehr als 200 Facebook-Nutzern gefällt.  

Döpfners kalte, digitale Konsequenz„, betitelt das Handelsblatt seine Online-Analyse, und stimmt damit in den Abgesang der verkauften Blätter mit ein. „Die alte WAZ-Gruppe wurde schon ausgepresst wie eine Zitrone. Jetzt hat sich die Funke-Gruppe eine saftige neue Zitrone dazugekauft.“ Auch die „Süddeutsche Zeitung“ und die „FAZ“ sehen den Handel in Online-Kommentaren eher kritisch – auch wenn es kaum wundern dürfte, dass diese etablierten Blätter betonen, dass Print eine Zukunft hat.

Bei den betroffenen Medien selbst bleibt es erwartungsgemäß ruhig. So erklärt beim „Hamburger Abendblatt“ etwa Chefredakteur Lars Haider in einem Video, dass sich die Leser doch keine Sorgen machen sollten, es ändere sich nichts. Frank Schmiechen, stellvertretender Chefredakteur der Welt-Gruppe, entschuldigt sich dagegen per Tweet für „seinen“ Verlag.

Beim Twitter-Account von DerWesten.de, dem Online-Auftritt der Funke-Mediengruppe, wurde lediglich auf den Artikel in eigener Sache verwiesen, in dem Thomas Ziegler als Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe die Synergie-Effekte betont, indem er unter anderem ankündigt, durch den Zukauf ein „nationales Medienhaus“ aufbauen zu wollen. In ihrem privaten Blog hat die Chefin vom Dienst, Katrin Scheib, außerdem eine Tweet-Übersicht der Ereignisse zusammengestellt – unter anderem mit dem zynisch anmutendem Tweet-Kommentar des Radiomoderators Max von Malotki: „Da sag mal einer, es würden keine Zeitungen mehr verkauft“.

Guter Deal – für Springer

Positive Stimmen gibt es auch – doch betreffen sie allenfalls die Vorteile für Springer: „Euch ist klar, dass das, was #Springer gerade macht, das ist, was wir seit Jahren fordern? Von wegen #Geschäftsmodelle anpassen und so…“, twittert Jan Hemme, Politikwissenschaftler und Pirat. Re-Tweetet wird er von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, einem – wenn nicht dem – Initiator der Digital-Offensive des Springer-Verlags. „Brutal konsequent“ findet Blogger Nico Lumma den Deal, auch wenn es Konsequenzen für die Print-Journalisten haben werde – die „Fokussierung des Unternehmens auf digitale Geschäftsmodelle ist allerdings die einzig richtige, insofern habe ich großen Respekt vor dieser unternehmerischen Entscheidung, zum jetzigen Zeitpunkt aus Sicht der Digitalisierungsstrategie Ballast abzuwerfen.“

Überraschend kommt es die Umstrukturierung nicht – bereits im Mai wurden Überlegungen des Springer-Verlags öffentlich, nach denen 200 Redakteure entlassen werden sollen, um sich 150 Programmierer leisten zu können, die Springer um „zum führenden digitalen Medienhaus“  werden lassen.


Der Artikel wurde geändert: Entgegen der Behauptung in der Originalversion des Artikels hat DerWesten.de am 25.07. sehr wohl Tweets verschickt. Leider wurden der Autorin diese aber – offenbar durch einen vorübergehenden Anzeige-Fehler in der Tweet-Timeline des Accounts – während ihrer Recherche nicht angezeigt. Wir bitte dies zu entschuldigen.

 

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