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„Facebook und all der Scheißdreck“ III: Rechtschreibung

Das Gebot der Kürze sorgt dafür, dass wir in SMS und Tweets die Dudenregeln schleifen lassen. Aber verkommt die Sprache dadurch? Jan Klage wirft im letzten Teil seiner Sprachanalyse einen Blick auf die Rechtschreibung.

Joinr, Tumblr, Flickr – sieht aus, als ob es zwei ganz simple Regeln für die Namen von Web-2.0-Diensten gibt: Rechtschreibung ignorieren und möglichst viele Vokale weglassen. Was ist nur aus uns geworden. Waren wir früher ein Volk weniger Dichter und Denker, denen eine überwältigende Mehrheit von des Lesens und Schreibens unkundiger Menschen gegenüberstand, so sind wir heute ein Volk weniger Dichter und Denker, die sich gegen eine schreibwütige digitale Mehrheit behaupten müssen. Eine Mehrheit, die sich orthographisch nahezu ausnahmslos dem digitalen Diktat aus Geschwindigkeit und Platzmangel hingibt. Klar: Kleinschreibung, Wortabkürzungen oder unvollständige Sätze entstehen aus Platzmangel. Oder weil die Schnelligkeit der Dialoge keine Zeit lässt für korrekte Schreibweisen. Das Gebot der Kürze macht zwar viele Kompromisse erforderlich, aber ein vollständiger Verzicht auf Grammatik wird weder dem Handy-Besitzer noch dem PC-Benutzer abverlangt. Und so scheitern viele bereits an der Unterscheidung zwischen „ein“, „eine“ und „einen“. Der männliche und sächliche Artikel „ein“ wird in der verkürzten Form der Umgangssprache zu „n“, die weibliche Form „eine“ wird zu „ne“. Die Form „nen“ hingegen steht für „einen“.

Kein neues Phänomen. Menschen, die mit der Rechtschreibung Probleme haben, hat es immer schon gegeben. Früher fielen sie wahrscheinlich nicht so sehr auf, weil ihnen die Technik fehlte, ihre Probleme regelmäßig verbreiten zu können. Heute ist das anders. Jeder kann und die meisten wollen auch. Und wie: Die meisten Buchrezensionen, die heute im Umlauf sind, stammen schon gar nicht mehr von ausgewiesenen Literaturkennern, sondern aus den Tastaturen orthographischer Laien, die ihre digitalen Kurzrezensionen ohne Punkt und Komma und nur selten unter Berücksichtigung der Regeln für Groß- und Kleinschreibung abliefern.

Dabei sind die Regeln für Groß- und Kleinschreibung, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht so alt, wie viele meinen. Im Gegenteil: Bis weit ins 17. und 18. Jahrhundert hinein wurde groß geschrieben, was wichtig war. Allein die Grimms schwammen damals gegen den Strom und verfassten die Einleitung des Deutschen Wörterbuchs im 19. Jahrhundert konsequent in Kleinschreibung. Nur Satzanfänge, Eigennamen und Titel setzten sie mit Majuskel. Erst mit den Bemühungen um eine Normierung der Rechtschreibung am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, die mit dem Namen Konrad Duden verbunden sind, verfestigten sich die heutigen Regeln.

Bei den Sonderzeichen sieht die Lage etwas anders aus. In den Anfangsjahren, den 1990ern, als die E-Mail massentauglich wurde, waren technische Übersetzungen der Umlaute nicht immer wirklich zuverlässig. Naheliegend, den Sprachgebrauch an das Medium anzupassen und „ae“ statt „ä“ zu verwenden. Heute kommt bei den Smartphones und Tablets noch der Aspekt dazu, dass die Eingabemöglichkeiten limitiert sind und man daher auf den aufwendiger einzugebenden Umlaut gerne verzichtet. Ganz anders bei SMS oder Tweets , die aufgrund ihrer Limitierung Nutzer dazu veranlassen, wieder Umlaute zu verwenden. Schließlich spart das Zeichen.

Lieber Günter Grass, am Ende hängt der Wert von „Facebook und all dem Scheißdreck“ doch nur davon ab, was man mit ihm tun will und wie man mit ihm umgeht. Man kann dummes Zeug sagen und geniales in Computer tippen, schlimme Bücher lesen und bewegende elektronische Botschaften empfangen – und eben auch umgekehrt.


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