Zum Inhalt springen

Einfach mal off

Die Zeit der Selbstversuche ist vorbei, das Thema Offline-Sein bleibt jedoch weiterhin aktuell. Nur: Wie gelingt das Abschalten, wenn der innere Schweinehund zu stark ist? Ein Berliner Start-up will helfen.

Jeder dritte Deutsche hat ein Smartphone – und ist damit tendenziell permanent erreichbar. Aber die ständige Verfügbarkeit kann auch zum Stressfaktor im Berufsalltag und Privatleben werden. Wer da nicht selbstbestimmt „Nein“ zum Mail- und App-Check-Zwang sagen kann, dem bieten Michael Dettbarn und Alexander Steinhart (beide 30) jetzt eine Lösung an: Ihre App Offtime soll helfen, den nervigen Balast an aufploppenden Apps und Mitteilungen auch mal abzuschalten. Noch elf Tage läuft ihr Crowdfunding auf der Plattform Startnext.


VOCER: Michael, Alexander, ihr habt beide durch euer Studium einen Psychologie-Background. Ist die Idee zu eurer App daraus erwachsen, dass ihr euch dort mit den vielleicht verheerenden Folgen unserer Online-Nutzung beschäftigt habt?

Alexander Steinhart: Die Forschung beschäftigt sich im Moment hauptsächlich noch mit dem Status quo der Nutzung von mobilen Endgeräten und nicht so sehr mit ihren Folgen. Das erste iPhone ist ja auch erst vor sechs Jahren erschienen und jetzt kommen so langsam die ersten Langzeitstudien heraus. Die Idee zu Offtime ist mir durch Beobachtungen meiner eigenen Online- und Smartphone-Nutzung gekommen.

Michael Dettbarn ©  width=
Alexander Steinhart 

Michael Dettbarn: Wir kennen das ja alle, dass sich mit der Zeit ein richtiger Zwang entwickelt, ständig Nachrichten zu checken. Meine Freundin hat sich schon häufiger darüber aufgeregt, dass ich selbst abends noch am Handy hing – und am nächsten Tag war es genau anders herum. Aber gerade als Vater brauche und möchte ich jetzt mehr Zeit für die Familie und will nicht ständig abgelenkt werden.

Das Thema Offline-Gehen scheint bereits ausführlich abgegrast: Es gab Selbstversuche in Buchform, etwa von „SZ“-Redakteur Alex Rühle und Christoph Koch, sowie zig Artikel zu diesem Thema. Und am Ende sind all die Offliner doch ins Netz zurückgekehrt – kein Wunder: Man verpasst ja auch viel, gerade wenn man in der Medienbranche arbeitet. Sich mit einer App wie Offtime abzukapseln, kann man sich doch gar nicht mehr leisten, oder?

Alexander Steinhart: Mit Offtime musst du dich ja gerade nicht zwischen online und offline entscheiden. Du schaffst dir nur zeitweise einen ungestörten Raum und lässt andere wissen, wann du wieder für sie erreichbar bist – diese Offenheit schafft Akzeptanz. Es gibt zahlreiche Studien, die deutlich machen, dass ständige Erreichbarkeit schädlich sein kann. Wenn du dir deine Online-Zeit besser einteilst, kannst du Burnouts und Depressionen vorbeugen. Außerdem arbeitest du produktiver, wenn du dir deine Arbeitszeiten freihältst, indem du bestimmte Kontakte und Dienste auf dem Smartphone blockst.

Michael Dettbarn ©  width=
Michael Dettbarn 

Michael Dettbarn: Wir wollen mit Offtime aber nicht den erhobenen Zeigefinger schwingen. Es geht erst einmal darum, dass dir angezeigt wird, zu welchen Zeiten dich welche Personen kontaktieren. Du kannst in Statistiken nachverfolgen, wann du welche App genutzt hast und wann sie dich zum Beispiel von der Arbeit abhält.

Spricht die App auch Empfehlungen auf Basis meiner Nutzung aus?

Michael Dettbarn: Es werden dir so genannte Soft Blocks vorgeschlagen, die du dann für Apps und Kontakte aktivieren kannst. Wir arbeiten aber auch daran, einen Zähler mitzuliefern, der deine Surf- oder App-Nutzungszeit aufzeichnet.

So nützlich diese App für gestresste Berufstätige ist, so attraktiv sind die Daten, die ihr über sie sammelt. Wo speichert ihr all diese Informationen ab?

Alexander Steinhart: Wir entwickeln die App derzeit sehr dezentral, das heißt, dass alle Daten erst mal nur auf deinem Device gespeichert werden. Wir wollen die App allerdings Cross-Device-optimiert machen, sodass du die gleichen App-Einstellungen auf mehreren Geräten benutzen kannst. Dabei würden dann Daten übers Netz synchronisiert. Das soll aber so ablaufen, dass nur ein Minimum auf Servern abgelegt wird.

Michael Dettbarn: Wir planen auch, später für Unternehmen kostenpflichtige Lösungen von Offtime anzubieten. Dadurch können wir die App für Privatleute bezahlbar oder sogar kostenlos halten. Aber das liegt noch in ferner Zukunft, jetzt wollen wir erst mal die Crowdfunding-Kampagne erfolgreich abschließen.


Startnext

VOCER hat nicht nur selbst ein alternatives Finanzierungsmodell, sondern schreibt auch über andere Projekte, die unkonventionelle Wege gehen. Jeden Monat stellen wir ein Crowdfunding-Projekt von der Plattform Startnext vor, das wir für fördernswert halten.

Im Juli: Offtime, eine App, die beim Managen von Offline-Zeiten helfen will.

Nach oben