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Über das schwierige Geschäft des Journalismus

Der Journalismus steht im Dienste der demokratischen Gesellschaft. Ein Marktversagen auf diesem Sektor hätte dramatische Folgen. Wie sich das verhindern lässt? Fünf Modelle.

Man muss sich über das „Geschäft des Journalismus“, wie es Max Weber im Zuge seiner gescheiterten Presse-Enquete einst abschätzig nannte, nicht unbedingt mehr sorgen als nötig: Immerhin hat die privatwirtschaftliche Querfinanzierung des Metiers auf den Werbe- und Rubrikenmärkten über viele Jahrzehnte grandios funktioniert, um nicht zu sagen: Es hat viele Leute steinreich gemacht. Das „News Business“, besonders auch das gedruckter Zeitungen, konnte den empfindlichen Schwingungen des Marktes trotzen und hat bisher alle Krisen heil überstanden. Daneben existiert mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines der reichsten und luxuriös ausgestatteten Oasen für Qualitätsjournalismus, die weltweit ihresgleichen sucht.

Dennoch liegt der Reiz in der Suche nach alternativen Erlösmodellen darin, schon zu Zeiten eines intakten Journalismus die verschiedenen Alternativen seiner Finanzierung abzuwägen – und nicht erst, wenn die kommerziellen Quellen versiegt sind. Im Kern geht es dabei um hochspannende Formen zivilgesellschaftlicher Finanzierung des Journalismus als öffentliches Kollektivgut, das ausschließlich im Dienste demokratischer Gesellschaften steht. Zentral für diesen inzwischen zwar vielfach beschriebenen, jedoch in Deutschland noch nicht wirklich beschrittenen „dritten Weg“ ist mithin die Frage, wie sich ein öffentliches Finanzierungsmodell gestalten ließe, das „mit dem Gebot der Staatsferne und der Pressefreiheit vereinbar ist“ – so jedenfalls fordert es Marie Louise Kiefer. Kiefer glaubt, dass ein derartiges Szenario nur funktioniert, wenn ihm einige Selbstorganisationsprozesse innerhalb des journalistischen Systems vorausgehen, aber auch der Staat entsprechende Rahmenbedingungen dafür schafft.

Vom Konsumgut zum Kollektivwert?

Vorrangig geht es also um die gesellschaftliche Versorgung eines Qualitätsjournalismus, der – losgelöst von privatwirtschaftlichen Interessen und unabhängig vom Diktat des Marktes – existieren und langfristig auch prosperieren kann. Journalismus ist in dieser Sichtweise keine Ware mehr, die sich am Markt verkaufen muss. Noch zählt er zu den Institutionen, die dauerhaft subventioniert oder über öffentlich-rechtliche Gebühren prolongiert werden müssen. Vielmehr beschreibt der neue Modus einer „Kollektivfinanzierung“ einen autonomen, eben einen „dritten Weg“ jenseits marktwirtschaftlicher Wettbewerbsmodelle und des öffentlich-rechtlichen Systems, der die gesamte Angebotspalette zivilgesellschaftlicher und öffentlicher Zuschüsse auszureizen weiß – sei es über private und öffentliche Stiftungen, Privatspenden, Mäzenatentum und Partnerschaften mit bestehenden (staatlichen) Bildungseinrichtungen.

Wertvolle Anregungen hierzu liefern Leonard Downie Jr. und Michael Schudson. In einer 2009 erschienenen Studie bringen sie steuerliche Begünstigungen und Differenzierungen unterschiedlicher Medien, aber auch Steuerbegünstigungen für die Stifter und Spender selbst ins Spiel.

Der Philosoph Jürgen Habermas befeuerte, vielleicht ohne es zu ahnen, vor fünf Jahren mit einem Essay in der „Süddeutschen Zeitung“ erneut die Debatte über den „Strukturwandel der journalistischen Finanzierbarkeit“. Zur angeschlagenen Presse stellte er lakonisch fest, dass sich „keine Demokratie ein Marktversagen auf diesem Sektor leisten“ könne, und deutete damit zugleich die größte mediale Herausforderung unserer Zeit an: ob und wie der Geist der gedruckten Presse – in welcher Aggregatsform auch immer – konserviert werden könne.

Im Rekurs auf Habermas ließe sich sogar noch viel grundsätzlicher argumentieren, dass Artikel 5 GG die Politik sogar dazu verpflichtet, eine vielfältige, freie Presse zu erhalten. In jedem Fall wirft der Vorschlag, den Journalismus nicht als Umsatz und Gewinn, sondern als demokratierelevante, förderungswürdige Institution zu begreifen, auch die Frage auf, welchen Journalismus sich unsere Demokratie zu leisten imstande ist – und inwieweit sie bereit ist, die ökonomische Abhängigkeit von Markt und Kommerz gegen mögliche neu entstehende Abhängigkeiten von öffentlichen Einrichtungen, Hochschulen, Philanthropen oder Stiftungen einzutauschen. Wenn sich die Lage für die Qualitätspresse weiter zuspitzt, und davon kann man heute ausgehen, ist eine breite Debatte über weiterführende Strategien und „dritte Wege“ – auch unter Teilhabe der Öffentlichkeit – umso notwendiger, die auf die Verteidigung der Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Presse zielen muss. Der dritte Weg ist ein noch wenig erkundeter abseits der Hauptstraßen von Werbefinanzierung und Verkaufseinnahmen.

Es reicht dagegen bei weitem nicht, wenn sich die Verlagsbranche mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in scheinbar endlosen Scharmützeln über Leistungsschutzrechte und Drei-Stufen-Tests ergeht, während es nach wie vor an kreativen Ausblicken und Szenarien mangelt, wie der Journalismus in zehn, fünfzehn Jahren überhaupt noch funktionieren könnte.

Neue Erlösquellen: Fünf konstruktive Modelle

Gefragt werden sollte deshalb nicht in erster Linie nach der Zukunft von publizistischen Verwertungsketten und merkantilen Befindlichkeiten, sondern danach, wie die bewährten Grundprinzipien eines verantwortungsbewussten, anspruchsvollen Metiers unter Absicherung seiner finanziellen Ressourcen auf lange Sicht in die digitalen Umgebungen transformiert werden können. Leif Kramp und ich haben dazu vor drei Jahren in der „Zeit“ fünf viel versprechende Lösungen vorgestellt, die mit einigen Änderungen so aktuell sind wie damals:

1. Die zivilgesellschaftliche Lösung: Crowdfunding

An wohl keinem Finanzierungsversuch scheiden sich die journalistischen Geister so sehr wie an der Möglichkeit, den Nutzer bei der Aufrechterhaltung von Qualität höchstselbst in die Pflicht zu nehmen – und zwar als direkter Finanzier journalistischer Geschichten: Während die Strategie, Artikel gegen Einzelgebühren herunterzuladen oder kostenpflichtige Paywalls einzurichten, weitgehend als gescheitert gilt, ist das so genannte Crowdfunding („Schwarmfinanzierung“) – nicht nur im Journalismus, sondern auch in anderen unterfinanzierten öffentlichen Bereichen wie Kultur und Bildung – in Deutschland groß im Kommen. Ein „dritter Weg“ ist hier zunächst am undeutlichsten erkennbar, weil, so ließe sich argumentieren, derlei Spenden an gemeinnützige Redaktionen, Organisationen und Initiativen letztlich nur die Abverkäufe journalistischer Produkte am Markt kompensieren helfen. Andererseits ist diese alternative Finanzierungsmöglichkeit durch Klein- und Einzelspenden der Nutzer (crowd) vielleicht die ureigenste und ehrlichste Form einer zivilgesellschaftlichen Unterstützung für journalistische Inhalte.

Mithin erscheinen Appelle an die Solidarität der Leser aussichtsreicher als integrierte Zahlsysteme, an die sich viele Medienmanager klammern. Schließlich gibt es auch mit direkter Beteiligungen des Publikums in Form von Volksaktien mit der „taz“ ein Modell, das bereits seit 1992 existiert, bisher allerdings nur wenige Nachahmer gefunden hat. Dass ähnlich radikale Crowdfunding-Ansätze auch im großen Maßstab funktionieren, zeigt jedoch ein hyperlokales Portal aus San Francisco: Der Name „Spot.Us“ ist hier Programm – nach dem Prinzip „Rent-a-Journalist“ können zahlende Nutzer für Beträge ab 20 Dollar einzelne Reporter unterstützen, damit diese kommunale Reizthemen im sozialen Milieu der Bürger recherchieren und publik machen. Reporter ziehen erst los, wenn ein bestimmtes Honorar für die geplante Story gespendet wurde. Das ursprüngliche Abonnementmodell findet hier also seine Entsprechung auf der Mikroebene: Der Leser investiert nicht mehr in teures Papier und Vertriebswege, sondern das Geld fließt direkt in die journalistische Arbeit.

2. Die stiftungspolitische Lösung: Mäzenatentum

Privates Kapital, das reiche Mitbürger und Unternehmer spenden, hat als zivilgesellschaftliches Instrument der Journalismusförderung eine enorme Relevanz bekommen. Gerade, wenn es sich um Millioneninvestitionen von einzelnen Philanthropen wie im Falle des unabhängigen Redaktionsbüros Pro Publica in New York City handelt, das seit Anfang 2008 vorrangig von der milliardenschweren Stiftung des US-Bankerehepaars Herbert und Marion Sandler mit rund zehn Millionen Dollar jährlich gefördert wird, wird schnell klar, dass dies ein sehr mächtiges Förderinstrument ist. Non-Profit-Projekte und -initiativen in dieser Liga, die wie Pro Publica im großen Stil über Stiftungen finanziert werden, gibt es in den USA inzwischen zuhauf – und es werden mit jedem Monat mehr. Bei diesem Modell des Mäzenatentums kommt unweigerlich auch der Gedanke ins Spiel, dass auf diese Weise dauerhaft geförderte Medienunternehmen eigene Stiftungen ausgründen, um als gemeinnützige Organisationen in nicht-kommerzieller Trägerschaft agieren zu können – was allerdings nicht neu ist: So verteidigt die „Fazit-Stiftung“ seit Jahrzehnten die finanzielle Unabhängigkeit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in Großbritannien wähnt sich der „Guardian“ in der Obhut des gemeinnützigen „Scott Trust“, und in den USA braucht die „St. Petersburg Times“ durch den Schutz der mächtigen „Poynter Stiftung“ die Schwingungen der Wall Street nicht zu fürchten.

3. Die medienpolitische Lösung: öffentliche Gebühren

Geradewegs in das Epizentrum der deutschen Medienpolitik zielt die Idee einer durch öffentlich-rechtliche Gebührengelder getragene „Stiftung für Qualitätsjournalismus“, bei der sich Interessenten (Journalisten, Redaktionen, Blogger, Online-Portale) beispielsweise um eine Förderung für aufwändige Rechercheprojekte, Exzellenzstipendien und Auslandsaufenthalte im Dienste des Qualitätsjournalismus bewerben können. Ein Stück des gesamten Gebührenkuchens, der mit über sieben Milliarden Euro auch im internationalen Vergleich sehr üppig ausfällt, würde erheblich finanzielle Lücken zu schließen helfen und eine langfristige Sorgenfreiheit bedeuten. Den Horrorvisionen des Missbrauchs als politisches Druckmittel und der staatlichen Einflussnahme zum Trotz, hat sich gerade in der Medienkrise gezeigt, wie immun der öffentlich-rechtliche Journalismus gegenüber den Schwankungen des Wettbewerbs ist – und sich im Gegensatz zum labilen Marktmodell der Presse behaupten konnte. Eine geringe monatliche Abgabe aller der rund 40 Millionen deutscher Haushalte von sagen wir zwei Euro, entspricht einer knappen Milliarde Euro pro Jahr, die einem solchen Pressefonds zur Förderung innovativer journalistischer Initiativen und Projekte aus Print, Fernsehen, Hörfunk und Online unter dem Vorzeichen der Digitalisierung zufließen könnten, erscheint gegenüber den häufig überzogenen Renditeerwartungen mancher Verlagsgeschäftsführer als zu verschmerzender Soli-Beitrag für das öffentliche Seelenheil unserer Demokratie. Das geringe Restrisiko einer schwierigen bis ungerechten Verteilung dieser Mittel würde man zugunsten einer Stärkung der journalistischen Vielfalt und der inneren Pressefreiheit billigend in Kauf nehmen.

4. Die wirtschaftspolitische Lösung: Kultur-Flatrate

Eine weitere Lösung steckt hinter dem Modell einer gesetzlich geregelten Zugangsgebühr, die jeweils von Internetprovidern und Kabelnetzbetreibern pauschal entrichtet werden und idealerweise von einer branchenübergreifenden Behörde, die beide Wirtschaftszweige vertritt, zentral verteilt würde. Diese „Kopfpauschale“ auf Internetanschlüsse, die nun schon länger unter dem Stichwort der Kultur-Flatrate unter anderem von den „Grünen“ propagiert wird und zuletzt in der Urheberrechtsdebatte wieder eine große Rolle spielte, dient dazu, Urheberrechtsvergütungen für das digitale Kopieren von Inhalten pauschal abzugelten. Eine an Rechteinhaber ausgeschüttete Pauschalgebühr müsste, um einen „dritten Weg“ zu gehen, um den publizistischen Förderaspekt zum Erhalt des Qualitätsjournalismus erweitert werden: Während die Zugangsanbieter, die den Nutzern per Soft- oder Hardware den Weg ins Internet ebnen, jeden ihrer Kunden mit einer monatlichen Zusatzgebühr in Höhe von wenigen Cents zur Kasse bitten könnten, müssten Suchmaschinen wie Google die Produzenten journalistischen Contents prozentual an ihren Werbe- und Anzeigenumsätzen beteiligen, um deren Beiträge und Bilder uneingeschränkt verlinken und aufrufen zu können. Kino- und Musiksektor machen mit der „Gema“ seit Langem vor, dass dieses Modell praxistauglich ist. Um die digitale Kulturgebühr möglichst gerecht erheben und an Journalisten, Filmemacher, Publizisten und Fotografen ausschütten zu können, sollten am ehesten Verwertungsgesellschaften wie „Gema“, „VG Bild-Kunst“ und „VG Wort“ Nutzungs-Richtwerte des jeweiligen Medienangebots ermitteln.

5. Die bildungspolitische Lösung: Öffentliche Einrichtungen

Das im Vergleich mit den anderen Modellen etwas abgespeckte, aber ebenso beachtenswerte Szenario ist mehr Ergänzung denn Basismodell: Es fußt auf der korporativen Vernetzung bestehender öffentlicher Bildungseinrichtungen, gemeinnütziger Institute, unabhängiger Initiativen und Vereine, um eine publizistische Vielfalt zu gewährleisten. Ohnehin schon größtenteils aus Steuergeldern finanziert, verspräche eine stärkere Einbindung von Hochschulen, Medienakademien, Kirchen und Bildungsträgern in die journalistische Aus- und Weiterbildung, aber auch zur Errichtung journalistischer „Innovation Labs“ und Denkfabriken, bei der Vergabe von Exzellenzstipendien und zum Anstoß konkreter Förderprogramme nicht nur die nötige Kontinuität einer öffentlichen Alimentierung des Journalismus. Es ergeben sich zwischen Redaktionen und Hochschulen gegenseitige, generationenübergreifende Lerneffekte – eine Art Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Die Herausforderungen des digitalen Medienwandels lassen sich gemeinsam nicht nur besser verstehen, sondern auch bewältigen: Während sich traditionelle Redaktionen in solchen Kooperationen stärker als lernende Organisationen begreifen, zeichnen sich viele Ausbildungsstätten durch hohe Flexibilität und ein enormes Kreativpotenzial aus. Eine mit üppigeren Finanzmitteln ausgestattete und vom Innenministerium stärker entkoppelte Bundeszentrale für politische Bildung wäre speziell in Deutschland aufgrund ihrer bildungspolitischen Leitziele als Clearingstelle zur Sicherung des Qualitätsjournalismus wie geschaffen. Voraussetzung wäre, den Erhalt des Qualitätsjournalismus auch als Aufgabe der Bildungspolitik für eine reibungslos funktionierende demokratische Grundordnung zu begreifen. Noch radikaler wäre es, Redaktionen selbst den Status einer Bildungseinrichtung zuzuerkennen, damit diese weitgehend steuerbefreit arbeiten können. Solche indirekten staatlichen Anreize wären für den Journalismus allemal eine bessere Lösung, als etwa einzelne Gattungen wie die Zeitungen über Jahrzehnte nach dem Gießkannenprinzip mit einer Art Medien-Abwrackprämie zu bezuschussen, wie es in anderen Ländern Europas geschieht.

Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass privatwirtschaftliche Medien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin für unsere publizistische Grundversorgung aufkommen können – zumindest für die kommenden Jahre. Spätestens dann wird allerdings eine der wenig vergnüglichen Fragestellungen die nach einem funktionierenden Geschäftsmodell für den Journalismus als demokratierelevanter Säule sein. Bis dahin geht es nun darum, rückläufige Nischenangebote und innovative Neugründungen im Journalismus über einen „dritten Weg“ durch eines der beschriebenen Modelle abzusichern – gerade weil von ihnen ganz wesentliche Impulse für die Neuerfindung des Handwerks ausgehen, von der im Idealfall die gesamte Medienbranche – und damit auch die Zivilgesellschaft – profitieren.


Hinweis: Die Bundeszentrale für politische Bildung gehört zu den Finanziers von VOCER.

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