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Theresa Lachner: Mit Emotionen Komfortzonen schaffen

Theresa Lachner sieht die Zukunft guten Marketings in einer unaufdringlichen, authentischen und emotionalen Ansprache. Im Interview erklärt sie, warum Emotional Branding auch im journalistischen Kontext wichtig ist.

theresa-lachnerTheresa Lachner schreibt auf Lvstprinzip und für verschiedene Frauentitel über Sex. Ihr Fokus liegt auf der Verbindung zum Leser, die durch Authentizität und entsprechendes Emotional Branding gestärkt wird. Am 22. April spricht sie bei der Direttissima in München über ihr Modell. VOCER ist Medienpartner der neuen Konferenz und hat Lachner vorab gesprochen.

VOCER: Theresa, als Regisseur J.J. Abrams und sein Team zusammenkamen, um die Arbeit an der siebten „Star Wars“-Episode zu beginnen, stellten sie sich die Frage: Welche Gefühle wollen wir den Zuschauern mit unserem Film vermitteln? Stellst du dir diese Frage auch, wenn du auf Lvstprinzip Artikel schreibst?

Theresa Lachner: Nein, wer sich als Autor diese Frage stellt, kann sich eigentlich auch direkt einweisen lassen. Man muss einen Text aus der Hand geben können, sobald man ihn veröffentlicht hat – denn was der Leser damit macht und fühlt und was er hineininterpretiert, lässt sich sowieso nicht kontrollieren. Als Person die im Internet Texte schreibt ist man einfach die perfekte Projektionsfläche. Ich wurde unter anderem schon persönlich für das Hotelsterben im bayrischen Wald verantwortlich gemacht, als zu rassistisch, sexistisch oder feministisch beschimpft sowie als Retter unserer Sexualmoral und des Abendlands in den Himmel gelobt. Gerade beim Thema Sex treffen so viele unterschiedliche Meinungen und Werte aufeinander, dass ich mich wahrscheinlich umbringen könnte bei dem Versuch, es jedem recht zu machen oder eine ganz konkrete Emotion provozieren zu wollen. Ich sehe es auch gar nicht als meine Aufgabe, jemand anderen von meiner Meinung zu überzeugen. Auf Lvstprinzip schreibe ich bewusst subjektiv, denn Authentizität ist für mich die wichtigste Währung, die man als Autor und Blogger haben kann.

Gleichzeitig wirbst du für Emotional Branding, eine Marketing-Methode, die mit dem Gefühlszustand der Zielgruppe arbeitet, um Produkte besser zu verkaufen. Warum ist dieser Ansatz wichtig?

Weil er nicht persuasiv, sondern intrinsisch motiviert ist und gleichzeitig alle Beteiligten extrem entspannt. Einen potentiellen Sexualpartner lockt man ja auch nicht, in dem man sich „Schau doch mal, wie geil ich bin“ auf die Stirn tätowiert. Du lächelst, schaust hin, schaust wieder weg … so lange bis er denkt, das Ganze wäre seine Idee gewesen. Gutes Emotional Branding ist immer ein Flirt.

Facebook versucht mit neuen Buttons, unsere emotionalen Reaktionen auf Posts besser aufzuschlüsseln. Am Ende dient das „Gefällt mir“-Upgrade dem Zweck, uns die zu unserer Stimmung passenden Posts zuzuspielen. Diese Post-Optiierung lässt sich dann wieder gut an Werbekunden verkaufen. Je näher uns Unternehmen emotional kommen, desto besser haben sie uns in der Hand; ist Emotional Branding dann nicht die viel perfidere Verkaufsstrategie?

Vielleicht nicht die perfidere – ganz bestimmt aber die wirksamere. Oder hast du schon mal etwas gekauft, was dir eine Facebook-Anzeige vorgeschlagen hat? Eben, ich auch nicht! Bei Emotional Branding geht es nicht darum, in seinem Leser eine konkrete Emotion auszulösen, sondern darum, überhaupt erst mal eine auszulösen und auf dieser Verbindung aufzubauen.

Wie setzt du Emotional Branding konkret um: Wie kommst du den Emotionen und Bedürfnissen deiner LeserInnen auf die Schliche?

Ich schaffe auf Lvstprinzip genau die Wohlfühlatmosphäre, die ich mir selbst wünsche, um unaufgeregt und entspannt über Sex zu quatschen. Für meinen persönlichen Freiraum für sexuelle Gedanken habe ich dabei einen charmant runtergeschrabbelten Bartresen im Kopf, an dem man sich ab dem zweiten Hendricks-Tonic Schwänke aus seinem Intimleben erzählt. Wer da alles in meine virtuelle Bar gestolpert kommt und welche Themen diese Menschen mitbringen, kann ich natürlich nicht komplett kontrollieren – aber eine klare Ausrichtung und konsequentes Stalking helfen schon mal viel.

Wie sieht dieses Stalking aus?

Meine Assistentin und ich interagieren viel mit den Lesern auf Facebook, daher wissen wir relativ genau, wer die Gesichter hinter den Kommentaren sind und welche Themen sie bewegen. Ansonsten gilt: die Analytics Statistik lügt nicht.

Für welche Sexthemen interessiert sich dein Publikum?

Politische Themen zum Beispiel zum Thema Sexarbeit sind mir wichtig und funktionieren gut auf Twitter, aber die meisten Suchanfragen drehen sich um Porno, Porno, Porno. Meine Leser suchen nach nachhaltigen Alternativen zum schmuddelig-faden Mainstream, und die liefere ich ihnen natürlich avec Plaisir.

Was können JournalistInnen von Emotional Branding lernen, wie können sie ihre Arbeit damit verbessern?

Gutes Storytelling wird generell immer wichtiger – nüchterne Nachrichten werden einfach besser verstanden, wenn sie emotional aufbereitet werden. Unser Newsfeed ist beispielsweise voll von Nachrichten über Flüchtlinge, aber selten erfahren wir die extrem bewegenden Hintergründe eines einzelnen Menschen. Nachrichten, die ein Gesicht erhalten, werden so einfach greifbarer. Für meine persönliche journalistische Arbeit heißt gutes Emotional Branding auch, mich mit allen Sinnen in die Recherche reinzuwerfen – ein Interview mit einem Tantramasseur finde ich beispielsweise komplett verschenkt, wenn ich mich nicht zusätzlich auf das Erlebnis einer Tantramassage mit ihm einlasse. Da greift die gute alte Schreiber-Regel „Show, don´t tell“ – der Leser will elektrisierende Berührungen und Nackenhaare, die sich aufstellen, nicht einfach nur lesen „Ich bin aufgeregt“.

Bei wem funktioniert Emotional Branding schon richtig gut?

Kluge Firmen schaffen emotionale Erlebniswelten, anstatt einfach nur ihr Produkt zu verkaufen. Nichts sagt so sehr „Der Herbst ist da“ wie das satte Klatschen des Ikea-Katalogs im Briefkasten und in vielen löst schon der Gedanke an den Belohnungs-Hot-Dog nach der Kasse einen Pavlovschen Sabber-Reflex aus. Oder man erinnert sich mit Grausen an den letzten Beziehungsstreit in der Tischset-Abteilung. Ikea ist einfach niemandem egal. Ein weiteres Paradebeispiel ist der Sextoy-Versand Eis.de, mit dem auch ich kooperiere: Vor ein paar Monaten sah die Website noch eher nach einem sterilen asiatischem Großhandel aus, seit dem Relaunch menschelt es. Jetzt gibt es Toy-Themenwelten, Sextips, Testimonials mit Fotos und eine konsequente Social-Media-Strategie, die den Kunden mit einbezieht und so Verbindung schafft. Gerade beim Thema Sex ist diese Verbindung natürlich essenziell, aber auch jedes andere Medium und Unternehmen kann von gutem Emotional Branding nur profitieren.

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