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Leistungsschutz-Recht: Folgen für den Journalismus

Längst schon haben Presseverlage ihre Monopolstellung über journalistische Güter verloren. Mit staatlich-juristischer Regulation versuchen die Verleger nun ihre Dominanz zu erhalten. Doch das kann dramatische Folgen für den Journalismus haben.

Über den Sinn und Zweck eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage wird dieser Tage erbittert gestritten. Geschützt werden sollen die Leistungen der Werkmittler, nicht hingegen der Journalisten, deren Ansprüche bereits das Urheberrecht regelt. Als maßgebliche Befürworter treten deshalb etablierte Presseverlage auf, die bestehende Wertschöpfungsstrukturen rechtlich absichern und durch Lizenzierung neue Geschäftsmodelle erschließen wollen. Ihnen gegenüber stehen – vereinfacht gesprochen – Internetaktivisten und betroffene Wirtschaftszweige, die Rechtsunsicherheiten bis hin zu einer „Monopolisierung von Sprache“ erwarten.

Im Zuge dieser Diskussion sprechen wir heute zu selten über die Folgen eines neuen Leistungsschutzrechtes für den Journalismus. Auf den ersten Blick erscheinen diese auch trivial: Leistungsschutzrechte schaffen Vermögenswerte in Medienunternehmen – wäre dies nicht der Fall, hätten wir weder Debatte noch Gesetzentwurf. Die Verlage nennen das Kind nur selten beim Namen, aber ihre Idee ist doch einfach und auch einfach zu vermitteln:

Im Fokus stehen die Akteure, die heute den wesentlichen Moment der Verteilung journalistischer Güter – ohne Verlage – neu arrangieren. Google und andere Aggregatoren, die mit der Zusammenstellung und Distribution von Verlagsinhalten auf neuen Wegen Geld verdienen, sollen einen Teil ihrer Einnahmen an diejenigen abgeben, die die Produktion dieser Inhalte organisieren. Diese Gelder könnten dann in Verlagen eingesetzt werden, um in „Qualitätsjournalismus“ zu investieren, die investigative Berichterstattung auszubauen, die Gehälter von Medienschaffenden nach oben hin zu korrigieren oder aber redaktionelle Innovationen zu entwickeln.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage würde so die finanzielle Basis des Journalismus stärken. Allein: Es gibt gute Gründe, das zu bezweifeln – die Praxis der journalistischen Produktion „unter neoliberalen Bedingungen“ hat uns Pascal Zwicky gerade erst wieder vor Augen geführt. Dass der Anteil der Lizenzeinnahmen, den Journalisten laut Gesetzentwurf direkt erhalten sollen, ausreichen könnte, die Schreibenden finanziell besser zu stellen, glaubt auch in Berlin niemand.

Historische Strukturen sind auflösbar

Es gibt dann auch eine weitere Lesart des Leistungsschutzrechtes, für die es wichtig ist zu verstehen, dass die Institution Journalismus und das Medienunternehmen Presseverlag nicht – wie man in Verlagen gern suggeriert – deckungsgleich sind. Sie befinden sich lediglich in einem historisch-kontingenten „Arrangement“, das weder eine Symbiose darstellt noch unauflösbar ist. Es gibt heute Akteure, die dieses bestehende „Bereitstellungsarrangement“ verschiedentlich kritisieren, ihm Leistungs- oder Anreizdefizite attestieren und Alternativpublizistik außerhalb industrieller Strukturen vorschlagen. Für sie gilt das Albertsche Diktum der „Änderung des Rahmens“:

„Die überkommene Sicht einer Problemsituation kann ja stets Einschränkungen enthalten, die eine Lösung der Probleme unmöglich machen. Logisch gesehen involviert eine Problemsituation nämlich immer bestimmte Annahmen, ohne die ein Problem überhaupt nicht entstehen würde, also einen bestimmten Rahmen. Gleichzeitig involviert sie eine Einschränkung möglicher Lösungen für dieses Problem. Erweisen sich alle bisherigen Lösungen als unbrauchbar, dann muss man eine Änderung des betreffenden Rahmens in Betracht ziehen.“

Als nicht mehr selbstverständlich gilt es, Journalismus und Presseverlag zusammenzudenken – im Gegenteil: Dieses Arrangement verliert an gesellschaftlicher Legitimität. Dabei können Presseverlage schon allein aus wirtschaftlichen, aber auch aus machtpolitischen Gründen nicht untätig zusehen. Sie werden ihre Vorstellung von Journalismus nicht kampf- oder kostenlos aufgeben.

Im Verständnis des soziologischen Neo-Institutionalismus müssen wir das Leistungsschutzrecht für Presseverlage demnach auch als Teil einer größeren Diskussion und als nur einen Versuch interpretieren, die dominante Form der Bereitstellung von Journalismus durch Medienunternehmen rechtlich-regulativ festzuschreiben. Denn mit sinkender kultureller Selbstverständlichkeit des Arrangements steigt auch die Notwendigkeit, es durch rechtliche Ausgestaltungen in Form von Gesetzen abzusichern. Die Diskussionen um Online-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die die Verlage angestoßen haben, zeigen in eine ähnliche Richtung.

Ausgrenzend, rückwärtsgewandt und unpräzise

Wie würde ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einen Beitrag zu dieser Absicherung leisten? Dazu nur einige Hinweise auf Basis des vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfes aus dem August 2012:

  1. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass gewerbliche Akteure, die Suchtechnologien anbieten oder „Inhalte im Internet nach Art einer Suchmaschine aufbereiten“ (Referentenentwurf), für die Zugänglichmachung von journalistischen Inhalten Lizenz erwerben müssen. Für sie kann es daher insgesamt aufwendiger und kostspieliger werden, sich mit Journalismus auseinanderzusetzen. Werden diese Angebote maßgeblich verändert beziehungsweise eingestellt oder werden sie gar nicht erst entwickelt, hat dies auch Folgen für private Nutzer, die Rezeptions- und Nutzungsmöglichkeiten verlieren. Auf diesem Wege kann ein Leistungsschutzrecht die Informationsvielfalt in digitalen Netzwerkmedien verringern und die Entstehung von „entrepreneurial journalism“ oder zumindest neuer Distributionsmöglichkeiten für Journalisten behindern.
  2. Wer ist „Presseverleger“? Verlage hätten sich zwar – wie man bei der Axel Springer AG nicht müde wird zu betonen – immer dafür eingesetzt, dass auch Blogger von dem Leistungsschutzrecht profitieren sollten, wenn sich ein „Blog als eine verlagstypische Leistung darstellt“ (Referentenentwurf). Hier müssen im Zweifel aber Gerichte entscheiden, wer die Regulierung und damit verbundene Vermögenswerte beanspruchen kann. Profitieren dürften die heute bereits kapitalstarken Unternehmen.
  3. „Suchmaschinenoptimiertes Schreiben“ ist im Online-Journalismus schon heute eher die Regel. Eine Vergütung durch Suchmaschinen dürfte diesen Optimierungswettbewerb nur verschärfen. Optimiert werden hier aber nicht journalistische Qualitätskriterien, sondern solche Kriterien, die eine möglichst führende Platzierung in Trefferlisten versprechen. Das hat zwangsläufig Folgen für die inhaltliche Gestaltung journalistischer Arbeiten.
  4. Das Leistungsschutzrecht als eigenes Recht des Werkmittlers basiert auf einem Denken in linearen Kommunikationsprozessen, die von einigen wenigen für viele andere gemacht werden. In digitalen Netzwerkmedien werden diese Prozesse aber aufgelöst und die Momente und Kontexte von Kommunikation von immer mehr Leuten neu arrangiert. Das Leistungsschutzrecht dagegen bekräftigt die Notwendigkeit von Journalismusverwertern, die Kommunikationsprozesse organisieren, ohne dass sich der Gesetzentwurf dabei aus der Pfadabhängigkeit lösen und einen Vorausblick auf mögliche neue Arrangements wagen würde.

Deutsche Presseverlage – too big to fail?

Wenn ein Leistungsschutzrecht unter anderem solche Folgen zeitigen könnte, dann ist man geneigt, die Frage zu stellen, ob das bestehende Arrangement wirklich insofern schützenswert und alternativlos ist, dass der Gesetzgeber dieses neue Monopolrecht – nichts anderes sind Urheber- und Leistungsschutzrechte ja – schaffen muss.

Die Geschichte dieser Rechte zeigt freilich, dass sie nie mehr geschwächt, geschweige denn abgeschafft werden. Stöbers Formulierung „von der Regulierung in die Tyrannei“ bezog sich ursprünglich auf überzogene staatliche Eingriffe mit Blick auf die Medien. Zukünftig könnte sie, durchaus überspitzt, auch auf die „Strategien der Ausschließung“ von etablierten Medienunternehmen zutreffen. Erst durch staatliche, juristisch-konkrete Regulation ermöglicht, könnten sie die Dominanz eines nur noch bedingt legitimierten Bereitstellungsarrangements des Journalismus fixieren.

Natürlich: Man kann der Meinung sein, dass es problematisch – gar demokratiegefährdend – wäre, das bestehende Arrangement, welches vielleicht „too big to fail“ ist, nicht durch staatliche Eingriffe zu schützen. Sind die Alternativen heute nicht viel zu vage, wissen wir nicht viel zu wenig über ihre Leistungsfähigkeit?

Wir können niemandem vorwerfen, diese Fragen zu stellen, am wenigsten denjenigen, die von der heutigen Ordnung des Journalismus profitieren. Die Veränderung des bestehenden Arrangements von Journalismus und privatwirtschaftlichen Medienunternehmen dürfen wir nicht voreilig fordern. Journalismusforschung und Kommunikationswissenschaften haben ihren gesellschaftsrelevanten Beitrag zu dieser Diskussion zu leisten.

Gerade deshalb ist es aber wichtig, dass wir fragen, ob die Einführung neuer Schutzrechte für Presseverlage der richtige Weg für die Sicherstellung der zukünftigen Leistungsfähigkeit des Journalismus ist. Denn, wie Marie Luise Kiefer schreibt, sind Medienunternehmen nur „unverzichtbar, soweit und solange sie dem Journalismus Öffentlichkeit zu schaffen vermögen“.


Dieser Artikel ist eine Vorabversion aus dem
ab 15. Oktober publizierten „Journalistik Journal“.

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