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Fakt, Fiktion, Charity

Der Gründer und Chefredakteur der Non-Profit-Organisation „ProPublica“ sieht investigativen Journalismus in einer ähnlichen Situation wie Museen und Krankenhäuser: Gemeinnützigkeit könnte die letzte Rettung sein.

Der Gewinneinbruch in der amerikanischen Nachrichtenbranche, vor allem bei den bedeutenden großen Zeitungen, ist ein Problem für die amerikanische Demokratie. Da die Zahl der Werbekunden sinkt und diese ins Internet fliehen, müssen Redaktionen ihre Belegschaft reduzieren, um Kosten zu sparen. Dies schränkt wiederum die Möglichkeiten einer investigativen und verantwortungsvollen Berichterstattung ein, die jahrzehntelang dazu gedient hat, Korruption und Machtmissbrauch zu kontrollieren.

Das hat den Weg für „ProPublica“ bereitet, die gemeinnützige, unparteiische Redaktion, die ich leite. Unsere Mission ist es, Machtmissbrauch und den Vertrauensverrat an der Öffentlichkeit durch die Regierung, Unternehmen und andere Institutionen, zu enthüllen. Wir nutzen die moralische Stärke des investigativen Journalismus, um Reformen anzutreiben, die kontinuierlich Fehlverhalten aufdecken können. Wir wollen Licht auf die Ausbeutung der Schwachen durch die Starken werfen sowie auf das Scheitern der Mächtigen, dem in sie gesetzten Vertrauen gerecht zu werden.

Es stimmt, dass die Anzahl und Vielfalt der publizierenden Plattformen im Zeitalter des Internets geradezu explodieren – und das ist eine gute Sache. Allerdings beschäftigen sich nur wenige davon mit der eigentlichen Berichterstattung. Dementsprechend stehen wir vor einer Situation, in der Meinungsquellen wuchern, während die Faktenquellen, auf denen diese Meinungen beruhen, schwinden.

33 Journalisten, alle fürs Investigative

Von allen Formen des Journalismus erfordert investigativer Journalismus den größten Zeit- und Arbeitsaufwand, wenn er gelingen soll. Weil Recherche für Berichte dieser Art unabdingbar ist, kommt es zwangsläufig zu einer Vielzahl von „Fehlbohrungen“ – Geschichten, die zunächst vielversprechend scheinen, können sich letztendlich als weniger interessant und wichtig herausstellen, als anfangs gedacht, oder sie sind ganz einfach unwahr – und damit nicht veröffentlichbar.

Angesichts dieser Tatsachen sehen vielen Redaktionen den investigativen Journalismus immer mehr als Luxus, der in harten wirtschaftlichen Zeiten zurückgestellt oder zumindest reduziert werden kann. Viele Medieninstitutionen drosseln wegen der Zeit- und Geldeinschränkungen außerdem die einst bedeutsame Möglichkeit für Journalisten, die nicht im Speziellen „investigativ“ gearbeitet haben, sich dieser Art der Berichterstattung neben ihrem Tagesgeschäft zu widmen. Es ist nicht so, als hätten traditionelle, gewinnorientierte Nachrichtenorganisationen die investigative Berichterstattung komplett aufgegeben, aber sie haben sie maßgeblich reduziert.

Wir haben 33 Journalisten in unserer Redaktion, die sich alle der investigativen Berichterstattung verschrieben haben und über Geschichten mit großem Bedeutungspotential recherchieren.

Jeder Bericht, den wir veröffentlichen, wird so verteilt, dass er die größtmögliche Wirkung erzielt. Wir bieten traditionellen Nachrichtenorganisationen viele unserer sehr in die Tiefe recherchierten Geschichten umsonst an, so dass sie diese als Print- oder Rundfunkberichte veröffentlichen können. Jede Geschichte wird zusätzlich auf unserer eigenen Seite veröffentlicht. Hier stehen auch herausragende, investigative Berichte anderer, denen wir manchmal eigene Kommentare oder neue Beobachtungen hinzufügen. Somit ist unsere Seite ein Mittel, um gute Arbeit in diesem Bereich zu fördern.

Warum gemeinnützig?

Jeder unserer veröffentlichten Berichte wird durch aktive und offensive Kommunikation nach vorne gebracht: Wir kontaktieren regelmäßig Reporter, Redakteure und Blogger und ermutigen sie dazu, unsere Berichterstattung mitzuverfolgen sowie auf unsere Website und Arbeit zu verlinken.

Warum sind wir gemeinnützig? In der vergangenen Ära, als Zeitungen häufig Gewinnspannen von 35 Prozent oder mehr hatten, diente die investigative Berichterstattung als Eintrittsbarriere für Konkurrenten und konnte das qualitative Image einer Zeitung aufwerten, wodurch die Anzeigenpreise regelmäßig erhöht werden konnten. Heutzutage sind die Gewinnspannen bestenfalls im einstelligen Bereich, und solche Ausgaben gelten häufig als zu riskant.

Eine Non-Profit-Organisation wie „ProPublica“ kann die daraus entstehende Kluft schmälern, indem sie zum Teil durch Philanthropie getragen wird. In der Tat nimmt die investigative Berichterstattung ihren Platz neben Museen, Universitäten, Krankenhäusern und Balletttruppen ein: ein öffentliches Gut, das ohne wohltätige Förderung nicht ausreichend versorgt wird.


Übersetzt von Miryam Nadkarni (Hier gibt es die englische Fassung)

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