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Vocer Voices: Meinungen zur neuen Quartz-App

Mehr Unterhaltung als Journalismus

sandro-schroederMit einem Bot interaktiv über die aktuellen Nachrichten chatten? Unbedingt! Also habe ich die Quartz-App geladen, klingt ja nach einem spannenden Konzept. Schon bei de Einführung wird klar: Interaktiv ist die Quartz-App mit ihren fest vorgegeben Antwort-Möglichkeiten nicht wirklich. Spaß macht sie trotzdem. Denn mal abgesehen von der angenehmen Abwechslung, die der News-Chat vom optischen Einerlei der meisten News-Apps bietet, ist es vor allem der Humor der Quartz-Redakteure, der die App heraushebt.

Das Hin und Her aus Teaser-Texten, Emoji-Antworten, kurzen Hintergrund-Erklärungen und abschließenden Gifs ist wirklich mit viel Liebe zum Detail geschrieben, Hut ab an die Redakteure. Die Quartz-App ist für mich deswegen sowas wie der John Oliver der News-Apps, das „Last Week Tonight“ der Updates. Ich würde die App deswegen eher in Richtung eines unterhaltenden Journalismus einordnen – wenn ich wirklich Updates brauche, möchte ich keine Börsen-Haikus lesen. So wie ich auch nicht „Last Week Tonight“ schaue, wenn ich in der Mittagspause wissen möchte, was in der Welt passiert.

Insofern glaube ich, dass die Quartz-App zwar einen gewissen Kultfaktor hat und sicherlich für einige Schmunzler vor dem Smartphone-Display sorgen wird. Mit dem Hype um den News-Bot wird Quartz auch sicherlich seine Reichweite steigern können. Aber so wie John Oliver gerne betont, kein Journalist zu sein, textet auch der Quartz-Bot automatisiert zwischen den Zeilen: Ich bin vor allem Unterhaltung.

Sandro Schroeder arbeitet als freier Journalist in Leipzig, unter anderem für Detektor.fm.

Innovation mit lockerem Ton

robert-frankenVor etwa fünf Minuten habe ich die Quartz News App installiert und ich bin über die UX einigermaßen begeistert. Den Dialog – und sei es mit einem Bot – an den Beginn der Nutzerbeziehung zu stellen, ist smart. Dabei greifen die Macher auf, was ohnehin bereits Realität ist: der überwiegende News-Konsum via Timeline(s). Die Tonalität ist locker, aber nicht anbiedernd. „Markets Haiku“ zum Beispiel ist meiner Meinung nach eine extrem charmante Idee. Man kuratiert, kommuniziert und traut sich etwas zu. Von „Innovation“ darf man hier durchaus sprechen, finde ich. Ich bin gespannt auf die Nachhaltigkeit meiner Nutzung.

Robert Franken arbeitet als Unternehmensberater, Speaker und Blogger in Köln. Er war CEO von chefkoch.de.

Knick im Ansatz

tilman-wagnerIch finde sie etwas gewöhnungsbedürftig. Vielleicht ’ne Alterssache. Aber ich komme mir vor wie bei einem Text-Adventure mit klar definierten Pfaden. Und da beißt sich für mich der Ansatz – gerade weil es das Messenger-Format ist, würde ich hier mehr Möglichkeiten erwarten, technisch gesehen also mehr AI. Aber vielleicht kommt das auch noch. Vom Ansatz an sich: zukunftsorientiert und als reine Chat-Funktion super.

Tilman Wagner arbeitet bei der Deutschen Welle im Innovationsteam und ist Co-Kurator des Social Media Watchblogs.

Unausgeschöpftes Potenzial

jan-koenigDie App macht auf den ersten Blick sehr viel Spaß: Man wird nett begrüßt, kann nach Belieben tiefer in die vorgeschlagenen Themen einsteigen und bekommt nette Aufbereitungen in Gifs, Bildern und Emojis. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Als erstes Produkt auf jeden Fall gelungen. Das Konsumieren von News wirkt durch den linearen Verlauf (ich bekomme einen Themenvorschlag und kann entscheiden, ob ich dazu mehr erfahren oder zur nächsten Geschichte will) und die künstlichen „tippt gerade“ Punkte aber recht langsam. Das ist etwas gegensätzlich zum aktuellen Trend des „News Snackings“, bei dem Leute schnell auf einen Blick sehen wollen, was gerade wichtig ist. Die Chance von Messaging-Inferfaces (mehr dazu unter „Conversational Commerce“) ist ja, dass Nutzer durch einfaches Tippen von Textnachrichten sehen können, was sie wollen, wo sie wollen, wann sie wollen. Dieses Potenzial wird noch nicht ausgeschöpft. Außerdem frage ich mich, wieso eine eigene App notwendig ist, wenn man sich in schon vorhandene Systeme wie WhatsApp und Facebook Messenger einklinken kann, wo sich die Nutzer sowieso schon aufhalten.

Jan König ist Gründer des Social-News-Hubs HashtagNow.co und für die Bereiche Business Development und Marketing verantwortlich. HashtagNow ist Teil des Medien-Inkubators “Project Flying Elephant” in Berlin.

Gutes Konzept in der falschen Umgebung

jannis-kucharz2016 soll ja irgendwie das Jahr der Messenger werden. Das stellt Medien also wieder einmal vor die Herausforderung wie kann man Inhalte über Messenger sinnvoll verbreiten. Eine Idee nun Quartz vor gestellt: Ihre neue iPhone App folgt einem Messenger Layout und neue Nachrichten und Schlagzeilen erreichen einen in einer Chat-Bubble.

Und das hat einige interessante Effekte:

  • Die Nachrichten wirken tatsächlich so, als würde sie mir ein Freund erzählen. Vor allem weil Quartz nicht vor Emojis, Gifs oder jeder Menge popkulturellen Anspielungen zurückschreckt.
  • Dadruch lese ich die Nachricht auch tatsächlich durch. Sie ist ja nur eine Chat-Bubble lang und kommt wie eine Unterhaltung daher.
  • Ich selbst kann mich schlagfertig fühlen. Denn als Nutzer kann ich auch jeder Nachricht antworten. Mit vorgefertigten Nachrichten und mir stehen immer zwei zum anklicken zur Auswahl. Eine davon erzählt mir mehr zu der Nachricht, die andere lässt den Chatbot zur nächsten Nachricht springen.
  • Ich fühle mich informiert. Nach ungefähr vier Nachrichten hat der Chatbot fertig erzählt, sagt das ist alles und ich soll später wiederkommen. Ich habe einen Nachrichtenüberblick bekommen und mich sogar intensiver damit beschäftigt, als wenn ich einmal die Startseite der einschlägigen Nachrichtenportale überfliege. Mit dieser Form des Nachrichtenkonsums sollte man die Chat-App von Quartz auch vergleichen, nicht mit den intensiven Lesen einer ganzen Zeit ePaper-Ausgabe. Ich kann übrigens auf jede einzelne Chat-Nachricht klicken und komme dann auf den kompletten Artikel auf quartz.com zu dem Thema. Allerdings enthält der oft gar nicht viel mehr Infors als tatsächlich in den Chats stehen, es ist nur anders aufbereitet.
  • Ich nehme die Werbung wahr. Quartz hat schon mit dem Start seiner Webseite interessante neue Werbeformen ausprobiert, die weniger stören als Banner-Overlays und trotzdem besser wahrgenommen werden. So auch mit der Chat-App: Wenn der Bot fertig erzählt hat erscheint eine gesponserte Nachricht. Klar erkennbar, aber ich nehme sie natürlich ganz anders war, weil ich ja gerade im „Ich chatte mit Freunden“-Modus bin. Wirklich clever und nicht zu aufdringlich.

Und nun kommen wir zum großen Problem der Quartz Nachrichten App: Es ist eine eigene App. Die Chats finden eben nicht in dem Umfeld statt in dem ich mit meinen Freunden chatte. Sie sind nicht in WhatsApp, dem Facebook Messenger oder iMessage, sondern ich muss gezielt die App öffnen und sagen: Ja, jetzt will ich mich durch Nachrichten klicken und nichts anderes. Sicher hat Quartz das genutzt und einige interessante Funktion einprogrammiert (Zum Beispiel, das jede Chatnachricht verlinkt ist zum Artikel und die vorgegebenen Antworten), aber es stellt Quartz vor die Herausforderung Menschen erst einmal dazu zu bringen die App zu installieren und dann täglich zu nutzen. Sicher WhatsApp hat sich in letzter Zeit nicht gerade begeistert von Medienpartnerschaften gezeigt und viele wieder rausgeschmissen, aber alle Medien die WhatsApp bislang nur als Push- und Eilmeldungskanal missbrauchen können sich von der Quartz-News App einiges abschauen. Die zweite große Frage ist: Wäre so etwas nicht auch im Facebook-Messenger möglich? Es ist bekannt, das Facebook seinen Messenger zur Plattform ausbauen will und Firmen ermöglichen möchte, darüber Kundenkontakt abwickeln. Und Bild.de experimentiert mit seinen Transfernachrichten bereits mit der Messenger API. Hier wird sicher noch einiges kommen.

Jannis Kucharz kommentiert auf netzfeuilleton.de die Veränderungen der Medienwelt. Er arbeitet als freier Social-Media-Redakteur für das ZDF und berät und schult Unternehmen im Umgang mit Social Media und Webvideo. Gerade experimentiert er viel mit Snapchat und ist dort als @netzfeuilleton.