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Missy Magazine: Mehr Feminismus im Netz

Seit 2008 erscheint das feministische Popkulturmagazin Missy im Eigenverlag – ein harter Job für die Macherinnen. Jetzt wollen sie sich mit einem Aboclub, Veranstaltungen und einer neuen Website noch mehr Arbeit aufhalsen. Chefredakteurin Katrin Gottschalk berichtet, was hinter der Kampagne „Mehr Missy“ steckt.

Am Montag haben wir unsere Crowdfunding-Aktion für „Mehr Missy“ gestartet. Diesen Freitag geben wir das nächste Heft in den Druck. Ich tippe diese Zeilen also gerade mit meinen Füßen. Das ist ein ganz gutes Bild für unsere Arbeit bei Missy – die wir machen, ohne davon leben zu können. Wir wollen deswegen nicht jammern. Wir wollen aber mehr Geld. Genau genommen 35.000 Euro. Im Gegenzug bieten wir mehr Missy online. Denn wir wollen dort sein, wo Debatten von #Gamergate bis Genderwahn schon sind: im Netz. Ziel des Crowdfundings ist eine neue Website.

Ich kann noch nicht sagen, wie unser neues Online-Produkt letztlich aussehen wird. Wir wollen keine spektakulären Multimedia-Reportagen versprechen, die außer ein paar JournalistInnen sowieso niemand liest. Wir kündigen auch nicht an, den Onlinejournalismus zu reformieren. Wir wollen einfach mehr Missy. Das heißt: Pop und Politik mit feministischer Attitüde. Eine Website, die beides so miteinander verbindet, wie wir das seit 2008 mit Missy als Heft im Eigenverlag tun, gibt es im deutschsprachigen Raum bisher noch nicht.

Bei uns haben Frauenrollen in Filmen mehr zu bieten als nur passive Schönheit. Wir gehen in keinem Text davon aus, dass alle Menschen heterosexuell lieben. Wir geben keinen einzigen Diättipp. Überhaupt denken wir nicht, dass unsere LeserInnen sich selbst optimieren müssen. Wir rufen nicht pauschal, Prostitution müsse verboten werden, sondern sprechen mit SexarbeiterInnen über ihre Erfahrungen. Wir veröffentlichen keine Texte, die Feminismus als „eklig“ bezeichnen, sondern diskutieren verschiedene Ansätze, wie diese Welt eine gerechtere werden kann. Missy Online gibt uns die Möglichkeit, Debatten anzustoßen, diversere Meinungen zu integrieren, eine größere Vielfalt an Themen zu bearbeiten.

Club statt Schranke

Mit Debatten lässt sich kein Geld verdienen. Wir setzen aber auf die LeserInnen, die diese führen wollen. In einer Umfrage vergangenen Herbst haben 73 Prozent unserer LeserInnen angegeben, dass Onlinejournalismus nicht kostenlos sein muss. Wir wollen uns auf diese Information nicht mit einer Bezahlschranke beziehen, sondern in Form einer Clubmitgliedschaft. Diese ist vor allem ideell, der endgültige Titel wird wohl „Karma Club Missy“ sein, aber der Club bietet u.a. auch einen regelmäßigen Newsletter oder vergünstigten Eintritt bei Veranstaltungen.

Für 15 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr können wir kein Spektakel veranstalten. Unsere LeserInnen sind im Durchschnitt zwischen 21 und 35 Jahren alt und verdienen nicht wahnsinnig viel, das hatten wir im Hinterkopf, als wir diesen Betrag festgelegt haben. Aber letztlich brauchen wir eben auch nicht viel: Sieben Jahre Arbeit bei Missy hat uns zu wahnsinnig effektiven Publizistinnen gemacht. Wofür andere drei RedakteurInnen brauchen, reicht uns eine.

Trotzdem stoßen wir an unsere Grenzen. Zum Beispiel kommt alles zum Erliegen, wenn die eine Person im Urlaub ist, die die Website, Facebook und Twitter inklusive aller Kommentare und Nachrichten dort betreut. Deshalb ist ein Ziel des Crowdfundings auch, zwei neue Stellen anzufinanzieren. Das sind keine Vollzeitstellen im klassischen Sinne, sondern im Missy-Sinne: zwei Personen mit fließenden Übergängen in andere Arbeitssphären. Missy muss zwar mehr im Netz sein, schneller sein – von den Arbeitsstrukturen aber auch weniger selbstausbeuterisch, langsamer werden.

Heft, Events, Kampagnen: “Wir können all das“

Bis wir uns das leisten können, machen wir erst einmal das Gegenteil: Mit dem Crowdfunding starten wir auch in die Missy-Festwochen. Wir veranstalten etwa am 22. April die Diskussionsrunde „fe_male_gaze. Blicke auf Männlichkeit“ als Teil eines Festivals des Hebbel am Ufer in Berlin über den weißen, heterosexuellen Mann.

Am 25. April sind wir Mit-Veranstalterin einiger Programmpunkte auf dem taz.lab im Haus der Kulturen der Welt. Wir lassen Jan Fleischhauer auf Margarete Stokowski treffen und vor Publikum die Komik ihrer gemeinsamen Krise ergründen, geben eine Einführung in Netzfeminismus und sprechen mit Lady Bitch Ray, Ferda Ataman und Lann Hornscheidt über diskriminierungsfreie Sprache. Wenn am 11. Mai das nächste Heft dann erschienen ist, steigt am 13. Mai die entsprechende Release-Party im Berliner Südblock – mit Keøma, dem neuen Musikprojekt von Kat Frankie und Normal Love.

Das alles soll natürlich Aufmerksamkeit für unsere Kampagne generieren, aber auch zeigen: Wir können all das. Wir können ein Heft machen, Veranstaltungen organisieren, parallel noch eine Netzkampagne starten und mit Händen und Füßen Texte verfassen. Wir brauchen allerdings das Startkapital unserer Fans, um all das nicht verpuffen zu lassen und stattdessen auf sicherere Beine zu stellen. Das ist keine leichte Aufgabe, wie wir dieser Tage merken. Aber wir glauben daran, weil unsere LeserInnen an uns glauben. Das schreiben wir in unserem Text zu Crowdfunding-Aktion auch ganz kitschig, ohne uns dafür zu schämen: unsere LeserInnen und wir, wir sind das perfect match.

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