Es ist, wie es ist: Auf beiden Seiten, bei der Medienforschung und bei den Redaktionen, gibt es seit Jahrzehnten Kommunikationsbarrieren. Jetzt nimmt die Schweizerische Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft auf ihrer Jahrestagung neuerlich Anlauf: In Winterthur verhandelt sie am 12. und 13. April lang die „Transdisziplinarität“: Im Dialog mit Medienpraktikern wie Roger de Weck, Generaldirektor der SRG, und Norbert Neininger, Chefredaktor der „Schaffhauser Nachrichten“, sollen die Kommunikationswissenschafter dazu bewogen werden, das zu tun, was sie erforschen und lehren: Sie sollen mehr kommunizieren – mit der Öffentlichkeit, mit Journalisten, vor allem jedoch mit Anwendern innerhalb und ausserhalb des Medienbetriebs, die aus ihren Erkenntnissen Honig saugen könnten.

Das Anliegen ist nobel – denn natürlich sollte Journalismus- und Medienforschung, zumal, wenn sie mit öffentlichen Geldern gefördert wird, auch einen Nutzen stiften. Es ist wohl kein Zufall, dass der Impuls von Vinzenz Wyss ausgeht. Der Präsident der Fachgesellschaft ist hauptberuflich an der Zürcher Hochschule Winterthur verankert. An sie hat die Universität Zürich vor Jahren die Journalistenausbildung und damit auch die Journalismusforschung ausgelagert, um sich des studentischen Andrangs zu erwehren.

Solche Fachhochschulen haben stets mehr als die klassischen Universitäten den Kontakt zu Wirtschaft und Redaktionen gesucht. Obendrein zählt Wyss im deutschen Sprachraum zu jener Handvoll von Experten, die sich um Qualitätsmanagement im Journalismus kümmern – ein weiterer Fall von Don Quijoterie in einem Umfeld, wo ein tragfähiges Geschäftsmodell fehlt und „Qualität“ deshalb zur wohlfeilen und überstrapazierten Floskel geworden ist, um mit Public-Relations-Speak den Stellenabbau in den Redaktionen zu kaschieren.

Es fehlt an Anreizen

Doch damit sind wir bereits beim Kern des Problems: Auf beiden Seiten fehlt es an Anreizen und an gutem Willen, das an und für sich Selbstverständliche zu tun. In den Redaktionen wurden nahezu flächendeckend ausgerechnet jene Stellen zuerst abgebaut, die einer professionellen Beobachtung der Medien und – zumindest sporadisch auch – der Medienforschung dienten.

Auch die Wissenschafter scheren sich wenig um Vermittlung. Die Arrivierten im Forschungsbetrieb hasten von Konferenz zu Konferenz, um dort in 15-Minuten-Slots vor ihresgleichen ihre Erkenntnisse vorzutragen. Der Nachwuchs steht unter wachsendem Druck, seine Forschungsergebnisse in „peer reviewed journals“ zu publizieren. Ob in solchen Fachzeitschriften die Früchte ihrer Arbeit von mehr als nur einer Handvoll weiterer Wissenschafter zur Kenntnis genommen werden, interessiert kaum jemanden. Auch der Review-Prozess selbst, also die innerwissenschaftliche Qualitätskontrolle, wird zusehends absurder und löcheriger, je mehr solcher wissenschaftlicher Journale es gibt. Die Forschung verästelt und verselbständigt sich. Es fehlt sowohl an Forschern als auch an hinreichend qualifizierten Journalisten, die Erkenntnisse zusammenführen, gegeneinander abwägen und den Forschungsbetrieb kritisch begleiten.

Immerhin: Der Schweizerische Nationalfonds hat jüngst mit seinem Agora-Programm ein Zeichen gesetzt, dass das Problem erkannt ist. Im benachbarten Deutschland haben Institutionen wie die Robert-Bosch-Stiftung, die Bertelsmann-Stiftung, die Stiftung Volkswagenwerk und neuerdings die Stiftung des SAP-Mitbegründers Klaus Tschira sich wiederholt der Wissenschaftskommunikation und des Wissenschaftsjournalismus als Thema angenommen.

Dass gerade in der derzeitigen Medien- und Journalismuskrise der Medienforschung eine Schlüsselrolle beim Entdecken neuer Wege zukommen könnte, wollen vor allem die Medienpraktiker nicht wahrhaben.

Umgekehrt gälte es wohl auch, die Medienforschung auf solche Themen hin zu fokussieren, die praxisrelevant sind und die Probleme der mediatisierten Zivilgesellschaft lösen helfen: Letztere gälte es vom sich auftürmenden Infomüll zu befreien und stattdessen mit „hochwertigem“ Journalismus zu versorgen, der professionellen Standards genügt, sich von wachsender PR-Abhängigkeit befreit und sowohl politisch als auch von Medienkonzernen unabhängig ist.

Doch selbst wenn diese Quadratur des Kreises gelänge, bliebe immer noch die Herausforderung, beide Seiten, Kommunikationswissenschafter wie Redaktionen, dazu zu bewegen, das zu tun, was sie doch angeblich so besonders gut können: zu kommunizieren – miteinander statt gegeneinander oder aneinander vorbei.


Dieser Beitrag ist zuerst in der „NZZ“ erschienen.