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Stefan Plöchinger: „Paid Content funktioniert!“

Als Digitalchef der SZ werkelt Stefan Plöchinger zurzeit an einem umfassenden Paid-Content-Modell für Süddeutsche.de. Als Vorbild möchte er aber lieber nicht gelten.

Im vergangenen Jahr stieg Stefan Plöchinger in die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung auf. Weiterhin bleibt er auch noch Digitalchef, bastelt jetzt an einem zukunftsfähigen Finanzierungsmodell für die SZ und sueddeutsche.de und beantwortet letzte Interview-Nachfragen sogar direkt aus seinem Urlaub aus dem australischen Busch. Im Gespräch diskutiert der 38-Jährige in einer gemütlichen Bar in Berlin-Mitte die Finanzierungsprobleme im Journalismus, dazugehörige Lösungsansätze und wieso er sich in einem Dossier über „Medienvorbilder“ nicht so richtig zuhause fühlt.

VOCER: Herr Plöchinger, warum stört es Sie eigentlich, wenn man Sie ein „Medienvorbild“ nennt?

Wir reden — bei jedem Thema, nicht nur in den Branchendebatten — viel zu oft über Leute statt über Inhalte. Personalisierung ist vielleicht wichtig, um Leser zu faszinieren, aber Personenkult brauchen wir nicht in unserer kleinen Medienwelt, die sich eh zu sehr um sich selbst dreht.

stefan-ploechingerTrotzdem sind Sie für viele Nachwuchsjournalisten ein Vorbild. Eben auch dadurch, dass Sie nicht nur Online, sondern auch in Print zuhause sind. Ein Großteil der jungen Journalisten will nämlich immer noch ausschließlich zu Print. Es gilt als besser bezahlt und höher angesehen als Online. Wie wirkt man dem entgegen?

Ich weiß gar nicht, ob es ihnen dabei um Print an sich geht. Der Wunsch, der sich darin ausdrückt, ist, in Ruhe an Themen recherchieren zu können und guten Journalismus machen zu können. Das ist auch der Grund, warum viele immer noch in die gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Redaktionen drängen. Es hat viel damit zu tun, dass viele Online-Seiten über lange Zeit nicht die Möglichkeit zum guten Recherchieren und Schreiben von Geschichten geboten haben. Das ändert sich aber, zum Glück.

Viele Journalisten behaupten ja auch, dass es Online nahezu unmöglich ist, wirklich Geld zu verdienen …

… Viele sagen zum Beispiel, Paid Content funktioniere nicht und Abo-Modelle und Paywalls ließen sich in der digitalen Welt nicht durchsetzen. Unsinn. Es wurde längst das Gegenteil bewiesen. Wir haben zum Beispiel bei der SZ mehr als 30.000 digitale Abonnenten. Und wir wissen auch, dass keine Onlineseite in Deutschland genug Geld erlöst, um die dahinter liegenden Print-Titel dauerhaft und substanziell zu finanzieren. Der Kampf um eine zukunftsfähige Finanzierung ist nicht entschieden – und Anzeigenfinanzierung dabei nur ein Teil der Antwort.

Ein Dorn im Auge der Journalisten ist der Ad-Blocker bei der Anzeigenfinanzierung. Der verhindert, dass der Internet-User Werbung zu Gesicht bekommt. Herr Plöchinger, nutzen Sie einen Ad-Blocker?

Nein. Ich muss ja schließlich von was leben.

Aber trotzdem finden nahezu alle User die Werbe-Pop-Ups oder Hintergrundwerbebanner unglaublich nervig. Wie kommuniziert man dem User, dass er die Werbung – im Sinne der Zeitung – doch bitte ertragen soll?

Durch vehement kommunizierte Hoffnung auf Einsicht, dass Journalismus sich eben finanzieren muss und das Geld dafür nicht von irgendwo kommt, sondern von den Menschen, die ihn nutzen — ob direkt durch Abos oder indirekt durch Werbung.

Aber ist die Abneigung der User gegen die unzählige Werbung nicht verständlich? Und somit auch das Befürworten eines Ad-Blockers?

Manche Werbung nervt, klar. Aber man kann Ad-Blocker ja für einzelne Seiten deaktivieren. Was einige Leute tun, nur nicht genug, weil zu vielen das Problem der Journalismusfinanzierung leider egal ist. Darum: immer wieder hinweisen, klarmachen, technisch aufrüsten — und wieso übrigens nicht auch rechtlich gegen den größten Adblocker vorgehen, der ja aus Deutschland kommt und zweifelhafte Methoden anwendet?

Die da wären?

Das Geschäftsmodell basiert darauf, Anzeigen wegzusperren, manche aber gegen Gebühr durchlassen. Ein Schelm, wer an Erpressung denkt.

Um das dem User klarzumachen, muss man mit ihm in Kontakt treten und ihn ein Stück weit mit ins Boot holen. Wie schafft man das am besten?

Durch Hinhören, Hinschauen und Reden. Wir schauen uns Zahlen an, wir schauen uns Feedback an, auch in den sozialen Netzwerken, und gehen darauf ein. Auch machen wir Lesestudien mit Nutzern, um herauszufinden, wie sie unser Produkt eigentlich sehen. Letzten Endes gibt es viele Ansätze, um das Bild vom Leser präziser zu kriegen.

Ein Beispiel?

Wir haben einen Aktualisierungshinweis auf der Homepage eingeführt, der sagt: „Die Homepage wurde jetzt aktualisiert, hier können Sie neu laden.“ Plötzlich gab es zwölf Prozent mehr Klicks – ein ziemlich großer Ausschlag. Als wir den Hinweis allerdings auch auf Artikelseiten eingeführt haben, hagelte es Proteste. Dort haben wir ihn dann wieder deaktiviert.

Das generiert Klicks und somit auch mehr Geld durch Anzeigenwerbung. Andere Zeitungen und ihre Homepages, wie z.B. die der FAZ, finanzieren sich zum Teil aber auch durch die Beteiligung einer Stiftung. Was halten Sie vom stiftungsfinanzierten Journalismus?

Er ist natürlich eine Finanzierungsvariante. Ich warne aber davor, zu denken, er sei die Rettung. Auch wer von einer Stiftung getragen wird, muss wirtschaftlich arbeiten und braucht ein Geschäftsmodell. Sonst hat man eine sehr wacklige Ausgangsbasis für Journalismus. Reine Wohltätergeschichten gibt es nicht.

Viele fürchten bei Modellen mit einem externen Geldgeber die negative „Einflussnahme von außen“. Besteht da wirklich eine Gefahr, auch bei einer Stiftung?

Das kommt sehr auf die jeweilige Konstruktion an. Das kann gefährlich sein, muss es aber nicht. Wenn der Geldgeber ein wirklicher Philanthrop ist, ist es nicht kritisch. „Pro Publica“ ist ein gutes Beispiel dafür. Bei anderen Ansätzen wie unternehmensgetragenen Stipendien steht allerdings immer die Frage im Hintergrund, ob man das nicht nur tut, um in einem besseren Licht dazustehen oder im schlimmsten Fall sogar seine Agenda durchzubringen.

Wie macht man denn den jungen Journalisten überhaupt Mut für die Zukunft, bei all den Finanzierungsproblemen und Pessimisten, die dem Nachwuchs entgegenrufen: „Ihr werdet keinen guten Job finden und kein Geld verdienen“?

Das wurde vor zehn Jahren auch behauptet, trotzdem haben es in diesen zehn Jahren ziemlich viele Kollegen in ziemlich gute Jobs im Journalismus geschafft. Und warum sehen wir diese jetzige Zeit eigentlich als so schlimm und schlecht an? In Wahrheit entstehen gerade ordentliche digitale Modelle und neue Plattformen, die neue Formen von Jobs bedeuten. Es beginnt eine neue Ära. Klar weiß niemand, wie sich alles in zehn Jahren finanziert, aber nur weil man es nicht weiß, muss man jetzt nicht auch in Depressionen versinken. Man kann es einfach ausprobieren.

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