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Der Kontext: „Es soll Spaß machen, in ein Thema einzutauchen“

Deutsche Medien erproben unterschiedliche Ansätze, um komplexe Themen verständlich zu erklären. Auch Bernhard Scholz und sein Team wollen mit Der Kontext themenspezifisch zwischen den Formaten wechseln. Wer braucht das?

VOCER: Bernhard, SPON vertieft mit „Endlich verständlich – Das Erklärformat“ in FAQ-Form Themen, Zeit Online verfolgt Ereignisse langfristig und detailliert in Live-Dossiers, Vox produziert aufwendige Erklärvideos – es ist ein Gegentrend zum schnellen, tagesaktuellen Newsalltag zu beobachten. Auch ihr wollt Kontexte aufschlüsseln und Hintergründe durchleuchten. Wie habt ihr festgestellt, dass das tatsächlich ein Bedürfnis des Publikums ist?

Bernhard Scholz: Auf die Idee kam Julia [Köberlein] und zwar schon vor einer ganzen Weile. 2009 hat sie sich in ihrer Masterarbeit genau darauf konzentriert. Heraus kam ein Konzept, das wir heute, mit den neuen digitalen Möglichkeiten, umsetzen können. Das Gefühl, nicht mehr ordentlich informiert zu sein, obwohl wir regelrechte Nachrichtenjunkies sind, war ausschlaggebend dafür, es zu versuchen. Bevor wir jedoch angefangen haben selbst zu programmieren, haben wir qualitative Studien durchgeführt – und auch während des Prozesses sind wir sprichwörtlich auf die Straße gegangen, haben wildfremde Menschen befragt und abgeklärt, ob unser Ansatz ankommt. Außerdem konnten wir so laufend überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg waren.

Wer ausführlich recherchierte Dossiers ansehen und durchlesen möchte, braucht Zeit. Wie sehen die wildfremden Menschen aus, die diese Zeit mitbringt?

Ein Vorteil bei Der Kontext ist, dass wir die Themen nicht linear abbilden – als Leser ist man also nicht gezwungen, alles von vorne bis hinten zu lesen. Du bekommst an der Oberfläche schnell die Fakten und die wichtigsten Zusammenhänge. Je tiefer du dann eintauchst, also in die Themenlandschaft hineinzoomst, desto detaillierter werden die Informationen. Ganz tief drin stehen dann Hintergrundinhalte, die auch länger sind. So kannst du dir schnell mal auf dem Weg zur Arbeit das Wichtigste ansehen und dann, wenn am Wochenende oder abends Zeit ist, genau an den Stellen informieren, die dich konkreter interessieren – das kann der Politikteil oder der Kulturteil sein, ganz wie man möchte.

Was bedeutet das nun konkret?

Konkret haben wir in unseren Markttests deutlich gesehen, dass unser Ansatz insbesondere bei Hochschulabsolventen zwischen 25 bis 35 sehr gut ankommt.

Ihr arbeitet mit multimedialen Elementen, seit „Snow Fall“ der New York Times ist das in Journalistenkreisen sehr beliebt. Wie sieht das bei den Nutzern aus: Brauchen die 25- bis 35-Jährigen diese Multimedialität tatsächlich?

Es kommt auf den Inhalt an und daran orientieren wir uns. Manchmal ist eine interaktive Infografik sinnvoll, um einen Sachverhalt gut zu erklären, manchmal eher ein Film oder ganz normaler Text. Dabei sind wir jedoch sehr offen. Wenn ein Gedicht oder ein Song eine Stimmung sehr gut vermitteln, die man kennen sollte, um etwas zu verstehen, dann bringen wir das auch rein. Nutzer sind dabei auch sehr unterschiedlich und das werden wir berücksichtigen.

Was spricht gegen den klassischen Text?

Wir sind definitiv für Text und es wird ihn natürlich auch in Der Kontext geben. Gut geschriebene Texte sind ein echtes Vergnügen, bei dem das Kopfkino so richtig anspringt. Digital bieten sich für die Vermittlung von Inhalten viele Möglichkeiten und uns ist in erster Linie wichtig, die jeweils möglichst optimale Form zu wählen. Es soll schließlich Spaß machen, in ein Thema einzutauchen.

Was können wir von ausländischen Medien über die Aufbereitung komplexer Themen lernen? Oder sollten wir Journalisten uns daran kein Vorbild nehmen, weil die Märkte andere sind?

Wir denken, dass man von jedem lernen kann – egal woher derjenige kommt. Das Kriterium ist, dass es funktioniert. Ein Beispiel ist Reported.ly – die in ihrer Aktualität derzeit wohl kaum zu überbieten sind. Auf der anderen Seite hat Waitbutwhy.com einfach nur sehr lange Texte mit ein paar Strichmännchen und ist damit in seinem Bereich auch erfolgreich. AJ+ hat Facebook gehackt, die wissen einfach wie Inhalte aussehen müssen, damit sie dort angezeigt werden. Hier bei uns gibt es ja auch sehr spannende Projekte: Diskussionspanels online wie offline, zum Beispiel Publixsphere, Newsletter wie Whathappenedlastweek oder die neue Kurationsplattform Piqd.

Ihr habt eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, mit der ihr Der Kontext anschieben wollt. Diese Anschubfinanzierung hat Krautreporter auch ins Leben geholfen und einen großen Buzz um die Plattform unterstützt – jetzt hat aber auch das Berliner Team mit der weiteren Finanzierung zu kämpfen. Wie wollt ihr sicherstellen, dass es Den Kontext langfristig gibt?

In erster Linie wollen wir Abonnements verkaufen. Jetzt im Crowdfunding bieten wir exklusive Mitgliedschaften an, in denen es noch einige Extras gibt. Beispielsweise wollen wir unsere Mitglieder aktiv in den Entwicklungsprozess mit einbeziehen. Um ein tragfähiges publizistisches Geschäftsmodell zu etablieren, wollen wir nicht nur auf ein Standbein setzen. Die erfolgreichen Projekte stehen alle auf mehreren Säulen. Genau das streben wir auch an, um so das Magazin für unsere Leser garantieren zu können. Für eine Querfinanzierung haben wir daher noch einige andere Möglichkeiten, die wir erst nach und nach mit einbeziehen und testen werden. Bei unserer Plattform ist beispielsweise interessant, dass wir die Plattform selbst für andere anbieten können – aus der Richtung bekommen wir schon jetzt Anfragen von Unternehmen.

 


 

startnext_logo_2014VOCER hat nicht nur selbst ein alternatives Finanzierungsmodell, sondern schreibt auch über andere Projekte, die unkonventionelle Wege gehen. In Kooperation mit Startnext stellen wir regelmäßig Projekte vor, die wir für fördernswert halten.

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