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Zum Tode von Weltall-Pionierin Sally Ride

Wie eine Fernsehserie half, die erste US-amerikanische Astronautin ins All zu befördern.

Anfang der sechziger Jahre wagte der NASA-Mediziner William Lovelace einen damals ungehörigen Versuch, allerdings nicht ohne politische Hintergedanken: Er ließ auch Frauen die von ihm entwickelten Tests für Astronauten absolvieren, um wenigstens früher als der große Feind ein menschliches XX-Chromosom in den Orbit zu schießen. Bald hatte er eine Truppe von 13 weiblichen Weltalltauglichen beisammen, die als „Mercury 13“ in die Geschichte eingingen.

Allzu lange sah die NASA jedoch nicht bei diesem von Lovelace aus eigener Tasche finanzierten Projekt zu. Als sich die Frauen nach Pensacola aufmachen wollten, um sich weiteren Tests zu unterziehen und anschließend ihre Ausbildung anzutreten, verbot die Behörde den weiteren Ge- oder eben Missbrauch ihrer Gerätschaften zu solchen Zwecken. Da erfuhr man wieder einmal, was alles die damalige Konkurrenz zwischen der UdSSR und den USA ins Rollen bringen konnte – und was eben nicht.

Der Kampf um die Geschlechtshoheit im Outer Space wurde selbstverständlich auch medial geführt. Im Juli 1962 protestierte eine Journalistin in „The Pittsburgh Press“: „Now I am all for equality of the sexes job opportunities, suffrage, all that. I am even willing to stand on the bus while the men stay seated. But when it comes to exploring the fringes of the cosmos, then it’s time to call a halt. By all means, leave the stratosphere to the men.“

Und nachdem die UdSSR im Juni 1963 dank Walentina Tereschkowa, der ersten Frau im All, doch mal wieder schneller war, publizierte das „Life Magazine“ einen Artikel der Politikerin (und zweiten Frau des Magazin-Gründers Henry Luce) Clare Booth Luce, den bereits das Cover mit dem Satz „Soviet space girl makes U.S. men sound stupid“ ankündigte. Luce kritisierte darin die NASA und überhaupt die männlichen Entscheidungsträger scharf für den Sieg der Sowjets im Gender-Wettkampf  und stellte die 13 Mercury-Frauen mit adretten Fotos vor. „The U.S. Team is still warming up the bench“, lautete der Vorwurf. Beziehungsweise, mit Hinblick auf Tereschkowa: „She orbits over the sex barrier.“

Luce wurde, wie die folgenden Jahre zeigten, nicht gehört. Keine der Mercury-13-Teilnehmerinnen flog je ins All.

USA mit reichlich Verspätung

Die erste Amerikanerin, die an einer Weltraum-Mission teilnehmen durfte, war Sally Ride. Fast auf den Tag genau 20 (in Worten: zwanzig!) Jahre nach Walentina Tereschkowas Start hob sie im Juni 1983 als erste Astronautin aus den USA mit der Challenger vom Boden ab. Und das war wahrlich nicht der Politik oder der NASA zu verdanken. Sondern dem Fernsehen und einer anderen mehr oder weniger unfreiwilligen Pionierin.

Im September 1966 nämlich reiste wenigstens auf den Fernsehschirmen die erste Frau ins All. Und was für eine! Lieutenant Nyota Penda Uhura war nicht nur das einzig weibliche Mitglied der Kerncrew der USS Enterprise, sondern zudem Afroamerikanerin und damit schauspielerisch eigentlich auf Dienstmädchenrollen abonniert. Doch dem nicht genug geriet sie mit Captain Kirk in einer der folgenden Staffeln in die Hände telekinetisch begabter Lebensformen, die sich wie die alten Griechen kleideten und mit der Enterprise-Besatzung ein telekinetisch-griechisches Theater aufführten, im Laufe dessen Uhura und Kirk einander küssten. Die Szene gilt heute gemeinhin als „first interracial kiss“ der TV-Historie.

Von der Enterprise in den Dienst der NASA

Als die Serie 1969 abgesetzt wurde, trat Nichelle Nichols, die Darstellerin der Uhura, ihren Dienst bei der NASA an. Nicht als Astronautin oder Wissenschaftlerin, sondern im Rahmen einer Kampagne, mit der Frauen und Afroamerikaner – jene Gesellschaftsgruppen, die gerne als „Minderheiten“ bezeichnet werden, selbst wenn sie keine sind – für die NASA angeworben werden sollten. Die Verbindung zwischen Nichols und der NASA erwies sich als äußerst fruchtbare.

Das USS-Enterprise-Mitglied rekrutierte nicht nur Sally Ride, die schließlich als Erste nach oben durfte; auch Mae Jemison, 1992 die erste Afroamerikanerin im All, führte ihre Berufswahl auf die Figur der Uhura zurück. Bereits im Jahr nach ihrer ersten Mission kündigte Jemison bei der NASA, um ein eigenes Forschungsunternehmen zu gründen – und nahm eine Gastrolle bei der Serien-Fortsetzung „Star Trek – The Next Generation“ an. Heute trägt sie mehrere Doktortitel und lehrt an einer New Yorker Universität.

Sally Ride ist in dieser Woche verstorben. Erst nach ihrem Tod wurde bekannt, dass sie die letzten 27 Jahre mit einer Frau zusammen gelebt hatte. Vor dem dunklen All hatte sie offenbar keine Angst, vor dem öffentlichen Bekenntnis zur Homosexualität dagegen schon. Seltsame Welt.

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