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Pressefreiheit auf dem Prüfstand

Illustration: Christiane Strauss

Einmal mehr hat Reporter ohne Grenzen diese Woche sein jährliches Ranking zur Pressefreiheit publiziert. Demnach ist Finnland derzeit globaler Spitzenreiter (Rang 1). Deutschland hat sich um eine Position verschlechtert (von Platz 16 auf 17). Österreich und die Schweiz fallen zurück (von Platz 5 auf Platz 12 sowie von Rang 8 auf 14). Deutlich verbessern konnten sich die USA (Platz 32 statt 47). Am finstersten sieht es weltweit angeblich in Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea für unabhängige journalistische Arbeit aus (Plätze 177 bis 179).

Kein Zweifel: Das Anliegen ist nobel. Und Journalisten sind heiß auf Rankings – vermutlich ja auch deshalb, weil sie wissen, dass ihre Publika auf solche Ranglisten „abfahren“. So ist es kaum verwunderlich, dass Jahr für Jahr dort, wo Pressefreiheit herrscht, auch dieser Pressefreiheits-Index beträchtliche mediale Aufmerksamkeit erzielt.

Irritierend ist allerdings, dass die meisten Journalisten diese Rankings Jahr für Jahr ungeprüft weiterverbreiten. Eigentlich gälte es, solche Statistiken mit Vorsicht zu genießen. Man braucht noch nicht einmal viel Phantasie, um sich auszumalen, wie schwer die Daten international vergleichend zu erheben sind – noch dazu in Ländern, wo es eben keine Pressefreiheit gibt und somit Verstöße gegen sie nicht öffentlich gemacht werden. Wie sollen die Aktivisten und Experten von Reporter ohne Grenzen im Iran, in Syrien, China oder Russland wirklich zuverlässig erfassen, wie oft Geheimdienste oder andere Staatsorgane Journalisten mundtot machen – und ob das Klima von Angst und Selbstzensur im einen Land schlimmer ist als im anderen?

Gewiss verdienen die Gewährsleute unsere Sympathie, weil sie hohe persönliche Risiken eingehen, wenn sie „Staatsgeheimnisse“ an ausländische Organisationen verraten. Das macht sie aber noch lange nicht zu wirklich zuverlässigen Informanten, deren Einschätzungen und Erhebungen international vergleichbar sind.


Diese Kolumne erschien in leicht modifizierter Form auch in der österreichischen Wochenzeitung „Die Furche“.