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Der Meinungskampf um TTIP

Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen steht in der Kritik: Hinter verschlossenen Türen würde es Geheimabkommen geben, heißt es. Gewisse Unterlagen seien auch für Mitglieder der EU-Regierungen nicht einsehbar. Ska Keller pocht deshalb in einem VOCER-Gastkommentar auf intensivere Zusammenarbeit zwischen Politik und Medien.

TTIP – das steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership, also das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Kein anderes Handelsabkommen hat in den letzten Jahren ein solch hohes Maß an Aufmerksamkeit erhalten. Weil die EU bisher hauptsächlich mit Entwicklungsländern verhandelt hat und negative Auswirkungen oft nur dort zu spüren sind, gab es in Europa kaum kritische Debatten zu der jetzigen EU-Handelspolitik. Mit TTIP ist es nun auf einmal alles anders: Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt wollen ein gemeinsames Handelsabkommen abschließen. Die USA ist kein Land, dem man seine Bedingungen einfach so diktieren kann. Mögliche negative Auswirkungen werden auch hier vor Ort zu spüren sein. In vielen Städten Europas sind die Menschen bereits auf den Barrikaden.

Wir Grüne haben die TTIP-Verhandlungen seit deren Beginn im Sommer letzten Jahres kritisiert. Insbesondere drei Punkte bereiten uns große Sorgen:

  1. Der Investor-Staat-Klagemechanismus erlaubt es ausländischen Investoren, die Regierung ihres „Gastlandes“ zu verklagen, wenn neue Gesetzesvorhaben ihre Gewinne vermeintlich schmälern. Davon betroffen sind häufig Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzgebung wie beispielsweise Warnhinweise auf Zigaretten.
  2. Wir fürchten die Absenkung von Umwelt- und Verbraucherstandards, wenn es wie geplant dazu kommt, dass EU und USA gegenseitig ihre Standards anerkennen und harmonisieren.
  3. Es ist in hohem Maße gefährlich für die Demokratie, wenn den USA im Rahmen der regulatorischen Zusammenarbeit ein faktisches Vetorecht bei der Gesetzgebung eingeräumt wird.

In der Berichterstattung in den Medien nehmen die möglichen Risiken einen großen Raum ein. Für uns sind kritische Journalisten – seit Beginn der Verhandlungen – unglaublich wichtige Partner, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit über TTIP zu informieren. Handelspolitik ist für viele Menschen eine Black Box. Dabei werden bei den Verhandlungen Entscheidungen festgezurrt, die sehr tiefgreifende Auswirkungen auf die Gestaltung von Politik haben. Das ist schon bei den Handelsabkommen der alten Sorte so – TTIP wird sogar noch weiter gehen und massiv in die Setzung von Regeln auf nationalstaatlicher und europäischer Ebene eingreifen.

Deswegen ist für mich aktive Pressearbeit ein überaus wichtiger Faktor in meiner politischen Arbeit. Wir bereiten Pressebriefings vor und versuchen so gut wie möglich Journalisten über den Fortgang der Verhandlungen und die Diskussionen im Europaparlament zu informieren. Es liegt in meinem Interesse, dass über ein so wichtiges Thema wie TTIP berichtet wird. Dabei haben Journalisten ein ähnliches Problem wie NGOs oder andere Interessierte und manchmal sogar wir Europaabgeordnete: Die Verhandlungen laufen im Großen und Ganzen im Geheimen ab und es ist nicht immer leicht, an Informationen zu gelangen und diese dann auch richtig einordnen zu können.

Insbesondere das Thema Investor-Staat-Klagen wurde recht früh auch von investigativen Journalisten aufgegriffen. Ich arbeite schon länger zu diesem Thema, denn TTIP ist leider nicht das einzige Abkommen, was ISDS (Investor-state dispute settlement) enthält beziehungsweise enthalten wird. Doch eine kritische Debatte beschränkte sich lange Zeit auf einen sehr kleinen Kreis von Experten. Durch die Berichterstattung zu TTIP wurde das Thema an die Öffentlichkeit katapultiert – durch ein Zusammenspiel zwischen kritischen Europaparlamentariern, NGOs und einigen Medien. Das ist ein großer Erfolg und eine öffentliche Debatte war lange überfällig. ISDS unterwandert die Demokratie und stellt den Schutz der Interessen von Investoren über die der Allgemeinheit.

Welch wichtige Rolle die Medien bei der „Schlacht“ um TTIP spielen, zeigt auch die Kommunikationsstrategie der Kommission. Die Kommission ist sehr besorgt, die „Meinungshoheit“ zu TTIP könne ihr entgleiten. Nicht umsonst werden unzählige Papers zu vermeintlichen Mythen und Fakten zu TTIP produziert und nicht umsonst reisen Handelskommissar de Gucht und sein Team überall in Europa herum und platzieren Artikel in Zeitungen, die die Wunderfolgen von TTIP preisen.

Nicht zu Letzt haben die Medien natürlich auch ein Eigeninteresse bei der Debatte um TTIP. Zwar sind bisher kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen aus dem Verhandlungsmandat ausgeschlossen – ganz vom Tisch sind sie nicht. Es kann gut sein, dass TTIP sich auch negativ auf die Kultur- und Medienlandschaft auswirken wird.

Bisher ist die Berichterstattung insbesondere in Deutschland und Österreich sehr stark – aber auch in anderen europäischen Ländern erfährt das Thema mehr und mehr Aufmerksamkeit. Das lässt hoffen, denn ein so wichtiges Thema muss mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. TTIP darf nicht weiter unter Ausschluss der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen verhandelt werden.


Hintergrundinformationen zum Thema hat Ska Keller in einem Sammelband herausgegeben. Aktuelle Informationen zu TTIP finden sich hier, kritische Erläuterungen zum Mandat für die Verhandlungen hier. Bei Fragen zu TTIP ist Ska Keller per Mail zu erreichen.

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