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Twitter-Wahlkampf am Tatort

Die „Tatort“-Reihe ist eines der letzten großen „TV-Lagerfeuer“ der Deutschen. Dass immer mehr Menschen die Krimiserie auch bei Twitter diskutieren, hat nun auch die Politik entdeckt.

Sonntag für Sonntag versammelt sich ein für ARD-Verhältnisse sehr heterogenes Publikum, um den zahlreichen „Tatort“-Teams bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Seit einiger Zeit erfreut sich die Serie, die mittlerweile über 40 Jahre auf Sendung ist, auch bei vergleichsweise jungen Zuschauern großer Beliebtheit. In „Tatort-Kneipen“ oder daheim treffen diese sich zum Public Viewing und wenn gerade keine Freunde zum „Rudelgucken“ da sind, bleibt immer noch die ganz große Runde auf Twitter. 

Jeden Sonntag steigt das Hashtag #tatort in die Trending Topics deutscher Twitterer. Zur vergangenen Ausgabe mit dem Kieler Ermittler Borowski konnten 5119 Tweets gezählt werden, die bis Mitternacht mit diesem Hashtag versehen wurden. Hier wird nicht nur darüber diskutiert, wer der Mörder ist, sondern auch über Product Placement oder Logikfehler gesprochen. Auch das meist eher unkonventionelle Vorgehen der gezeigten Ermittler, die sich dabei nicht immer an alle Regeln halten, ist ein beliebtes Thema.

Diese Popularität hat nun auch die Politik entdeckt: So twittern seit diesem Wochenende Politiker von Bündnis 90/Die Grünen unter dem Account @tatortwatch. Die Innenpolitiker, die sich selbst als „Tatort“-Fans bezeichnen, wollen damit während der jeweiligen Folge auf mögliche Bürgerrechtsverletzungen hinweisen. Im Hintergrund steht dabei die Sorge vor einer medialen Normalisierung von Bürgerrechtsverletzungen. Der erste so untersuchte „Tatort“ hatte in dieser Hinsicht nur wenig Aufreger zu bieten. Selbst die sonst schon fast als Hacker agierende Ermittlerfigur Sarah Brandt beließ es diesmal bei regelkonformer Netzrecherche. Das Fazit von @tatortwatch lautete demnach: „Wenn man mal von den fehlenden Belehrungen absieht, war die Polizei heute ganz korrekt.“

Ein arg piefiger Fake?

Die Aufmerksamkeit für das Projekt war von Anfang an recht hoch. So wurde der neue Account während der Sendung in rund 750 Tweets erwähnt oder direkt adressiert. Das Hashtag #tatortwatch scheint sich mit 100 Nennungen im gleichen Zeitraum jedoch noch nicht durchgesetzt zu haben. Die Tweets zum Thema waren zudem nicht immer positiv: Manche User fragten sich, ob es sich dabei um einen Fake-Account handelt oder er wirklich ernst gemeint sei, anderen wiesen auf den fiktiven Charakter der Serie hin oder befürworteten die Idee, fanden die Ausführung aber „arg piefig“.

Interessant auch die Reaktionen der politischen Gegner: CDU-Generalsekretär Herman Gröhe sprach vom „neuen grünen Bevormundungsprojekt“. Schon kurz nach den ersten Tweets von @tatortwatch verbreitete sich zudem der Account @watchtatort. Das grüne Logo des Originals zeigt sich hier in blaugelb, auch wenn eine klare parteipolitische Angabe bisher fehlt. In der Beschreibung wird jedoch deutlich, dass es sich um eine satirische Antwort auf @tatortwatch handelt. Auch hier soll angeblich für „Bürger_innen_rechte“ gekämpft und dabei wohl nebenbei das Grünen-Projekt etwas durch den Kakao gezogen werden.

Ob das Projekt @tatortwatch nun als erfolgreicher Versuch eines Twitter-Wahlkampfes in die Geschichte eingehen wird, bleibt abzuwarten. Dass die „Tatort“-Fans auf Twitter auch nächsten Sonntag eine interessante Diskussion und viele satirische Kommentare erwarten können, ist jedoch sicher.

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