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Huffington Post: Lasst sie doch mal machen!

Ist die deutsche „Huffington Post“ eine Fortsetzung des Morgenmagazins mit anderen Mitteln? Ein journalistischer Flop? Vielleicht. Dennoch hätte sich Karsten Lohmeyer mehr positive Reaktionen auf den Deutschland-Start gewünscht.

Ein letztes Mal steht Arianna Huffington an diesem 10. Oktober 2013 auf einer Bühne. Wie eine stolze Mama holt sie bei der abendlichen Launchparty der deutschen „Huffington Post“ alle Mitarbeiter nach vorne – von den Chefredakteuren Sebastian Matthes und Daniel Steil über Editorial Director Cherno Jobatey bis hin zur Praktikantin Nina Damsch. „Sie können sicher sein: Alle hier vorne werden bezahlt“, sagt die Huffington-Post-Gründerin und geht damit auf die heftig geführte Diskussion im Vorfeld des „HuffPost“-Starts ein.

Im Publikum diskutiere ich derweil mit meinem Kollegen Richard Gutjahr über einen anderen Fakt, der uns an diesem Abend auffällt: Nicht nur, dass Verleger Hubert Burda bei diesem Event im Münchner Lenbachpalais fehlt – wir sehen auch keinen weiteren bekannten Verlagsführer oder prominenten Medienmacher. Vielleicht sind sie ja auch gar nicht eingeladen.

Aber dass ausgerechnet bei der Startparty zum wohl innovativsten und zumindest wirtschaftlich ambitioniertesten Digitalprojekt der letzten Jahre die bekannten „Mediennasen“ fehlen, die man sonst bei jeder Verlagsparty sieht, ist für uns sehr symbolhaft: Die deutsche Medienszene fremdelt mit der „Huffington Post Deutschland“ – und vielleicht sogar immer noch mit diesem „Neuland“ namens Internet.

Dieses Fremdeln hat viele Gründe. Zum einen natürlich, weil die „Huffington Post“ auf kostenlose Beiträge von Gastautoren setzt, obwohl sie sich mit der TomorrowFocus AG und dem finanzstarken Burda Verlag im Rücken durchaus Autorenhonorare leisten könnte. Entscheidender für die Verlagsmanager, Profis im Ausbeuten von Journalisten, dürfte aber sein, dass mit Hubert Burda ausgerechnet der Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger mit der „Huffington Post“ auf Gratis-Inhalte setzt. Und damit gefährdet er direkt die Wirksamkeit der Bezahlschranken, die seine Kollegen allerorten gerade aufbauen wollen.

Das Murren der Medienjournalisten

Die Medienjournalisten wiederum stören sich an der Themensetzung („zu konservativ“), der Auswahl der Start-Blogger („schon wieder Boris Becker“) und dem gewöhnungsbedürftigen Design („Webdesign aus den 90ern“). Wie viele Kollegen warf auch ich der „Huffington Post“ in einer Rezension für die „W&V“ politische Einseitigkeit und vor allem Seichtigkeit vor – und wenn uns im Vorfeld Autoren nach unserer Meinung zum Thema Kostenlos-Bloggen fragten, plädierten mein Co-Blogger Stephan Goldmann und ich immer zu „abwarten und mal sehen“.

Aber dieses Fremdeln, dieses Herabschauen und Herabwürdigen durch fast alle Journalisten- und Blogger-Kollegen, das ist für mich der traurige Aspekt des Ganzen. Ich hätte mir – bei aller durchaus berechtigten Kritik und mancher Enttäuschung – mehr Reaktionen gewünscht, wie die von Anita Zielina, stellvertretende Chefredakteurin und Online-Chefin beim „stern“:

Denn das ist es, was wir Journalisten gerade in diesen für unseren Berufsstand so schwierigen Zeiten sein sollten: kollegial – und auch mal bereit, zumindest anzuerkennen, dass da einer einen neuen Weg gehen will. Was wir jetzt brauchen, sind technologische, konzeptionelle und inhaltliche Experimente, eine Startup-Mentalität und keine Miesepeterei. Wir sollten Zukunft gestalten, nicht den Niedergang verwalten. Den „Beißreflex“ unter Journalisten-Kollegen hat sehr schön auch Christian Fahrenbach in seinem Blog unter der Überschrift „Schluss mit dem Gerangel“beschrieben.

Richtiggehend traurig finde ich, dass offensichtlich kein deutsches Medienhaus in den vergangenen Jahren den Mut und die Risikobereitschaft hatte, ein ähnliches Konzept an den Start zu bringen – vielleicht nicht mit dem inhaltlichen Anspruch einer „Zeit“, einer „FAZ“, des „Spiegel“, der „Süddeutschen“, sondern irgendwas mittendrin. Denn auch wenn die „HuffPost“ eine funktionierende Plattform und ein internationales Netzwerk mitbringt, ist ein solches News-Portal mit Social-Media-Anbindung und Gratis-Gastbloggern keine Zauberei. Es ist nur Technologie.

Die „HuffPost“ geht nicht, sie stolpert

Dass die „Huffington Post Deutschland“ aus inhaltlicher Sicht auf ihrem Weg an die Spitze („Unser Ziel ist ein Platz in den Top 5 der deutschen Online-Medien“) mehr stolpert als geht, ist für mich ein anderer Punkt, der auf zahlreiche Medien-Neustarts der vergangenen Jahre zutrifft. Da sitze ich wie viele Kollegen im Glashaus: Auch ich habe in den vergangenen Jahren viele journalistische Produkte fabriziert, denen man Ähnliches vorwerfen konnte und weiterhin kann.

Vielleicht könnte man den Verantwortlichen ankreiden, bei der Auswahl des Personals mehr auf webaffine Journalisten-Novizen als auf gestandene Kollegen mit inhaltlicher und schreiberischer Kompetenz gesetzt zu haben. Nach der Lektüre der ersten Artikel kann ich nur sagen: Noch sind die Texte der 15 Redakteure weit von der Qualität entfernt, die etwa „Spiegel Online“ oder „Zeit.de“ bieten – und im Boulevard-Bereich muss man erstmal solche Artikel verfassen können, wie sie „Bild Online“ täglich abliefert.

Und bitte, liebe Kollegen von der „Huffington Post“: Nehmt mir diese Kritik nicht zu übel, wenn Ihr das lest (und das werdet Ihr). Ich weiß, wie hart Ihr arbeitet. Aber wenn die „Huffington Post“ wirklich einen Großteil ihrer Leser über soziale Netzwerke akquirieren will, müsst Ihr da dringend besser werden. Denn nur gute – und gut durchdachte – Artikel, die eine emotionale Reaktion hervorrufen, werden wirklich gerne und häufig in den sozialen Medien geteilt.

Übersetzungen aus dem Amerikanischen gehören noch einmal tiefgreifend redigiert und für ein deutsches Publikum angepasst. Auch die Blog-Beiträge sollten dringend weg von der Boris-Becker-Eigen-PR hin zu echten Debattenbeiträgen. Wenn Ihr wirklich beweisen wollt, dass guter Journalismus heute anders geht, solltet Ihr an diesen Punkten arbeiten. Sonst wird Eure Reichweite und Relevanz nur an Listen gemessen wie „So werden Sie Ihren Partner los – in 10 Klicks“.

Kann es der Chefredakteur richten?

Doch da setze ich nicht nur auf eine Lernkurve bei allen beteiligten Redakteuren, sondern vor allem auf die Kompetenz des Chefredakteurs Sebastian Matthes. Er hat zwar aktuell bereits sehr viel Außenwirkung, konnte aber aufgrund seines laufenden Vertrages bei der „Wirtschaftswoche“ noch keine inhaltliche Schlagkraft entfalten. Bei jener Launchparty in der vergangenen Woche konnte ich mich aber lange mit ihm unterhalten und erhielt dabei einen hervorragenden Eindruck von ihm – ich denke mal, ohne gleich an einem „Stockholm-Syndrom“ zu leiden.

Weiterhin sehr skeptisch bin ich allerdings, ob Berufsturnschuhträger Cherno Jobatey („Wie war nochmal die Adresse der Seite?“, Zitat von der „HuffPost“-Pressekonferenz) die richtige Wahl als Editorial Director ist. Hier verspürte ich in etwa die gleiche Reaktion, wie bei der Nachricht, dass Ben Affleck der neue Batman wird. Dennoch würde ich auch bei der Personalie Chobatey dafür plädieren: Lasst ihn mal machen. Lasst ihn uns mal überraschen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich in einem Jahr dafür entschuldigen könnte, dass ich ihm Unrecht getan habe. Aber wie auch immer: Der Journalismus geht garantiert auch dann nicht unter, wenn die „Huffington Post Deutschland“ zu einer Fortsetzung des Morgenmagazins mit anderen Mitteln werden sollte.


P.S.: Was mich am meisten an der „Huffington Post“ wurmt: Dass sie mich zwar in ihrer Start-Pressemitteilung als Gastblogger erwähnt hat, den Gastbeitrag aber nicht zum Start veröffentlich hat. Die Reichweite hätte ich gerne gehabt. ;-)

 

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