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VOCER Innovation Medialab

EEG-Portal: Erlebbare Energiewende

Die Energiewende ist wichtig. Für die Politik, für die Wirtschaft, für uns alle. Das Thema aber kompliziert, und vielen Menschen schlicht zu langweilig. Simon Wörpel und Marvin Milatz wollen es im Rahmen ihres VOCER-Stipendiums greifbar machen.

Die Energiewende ist Deutschlands größte Baustelle, errichtet auf Prognosen, Statistiken und noch mehr wackeligen Statistiken. Ob sie gelingt, ist ungewiss. Sagen Wirtschaftsbosse, debattieren Politiker, kritisieren Wissenschaftler und Verbandssprecher. Doch, aufgepasst: Was lässt sich eigentlich anhand von vorhandenen, verlässlichen Daten dokumentieren? Und was bedeutet das alles für uns Verbraucher?

Übergreifend und langfristig klärt kein Medium darüber auf: Deutschlands Leitmedien konzentrieren sich auf aktuelle News und berichten vom Gezeter und Gezerre in der Öffentlichkeit. Langfristige Dokumentations-Ansätze hat es bisher nicht gegeben. Um dem Anspruch der Linearität gerecht zu werden, recyceln alteingesessene Medien zum Thema verfasste Artikel höchstens in digitalen Dossiers. Ohne Einordnung, ohne Zusammenhang. Der geneigte Leser, so wirkt es, solle sich doch bitte selbst den Kontext herleiten. Doch genügt das beim Mammutthema Energiewende, das seit fast zwei Jahrzehnten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft umtreibt?

Wir glauben: Wohl kaum! Deshalb begeben wir, Marvin Milatz und Simon Wörpel, uns im Rahmen des VOCER Innovation Medialabs, auf die Suche
nach einem neuen Ansatz, um das Thema Energiewende erstmals umfassender aufzuarbeiten.

Die Idee

Wir wollen ein datenjournalistisches Verbraucher-Portal entwickeln, in dem sich Nutzer verlässlich über die Energiewende in Deutschland informieren können. Was heißt Energiewende überhaupt? Und was bedeuten Trends und Entwicklungen für den eigenen Geldbeutel? Welche Anlagen gibt es deutschlandweit? Und welche direkt bei mir und Dir vor der Haustür? – Mit Daten und analytischen Artikeln wollen wir die Energiewende erklären.

Heatmaps können wir schon mal.

energiewende-projekt

Unser erster Versuch, 10.000 zufällig gewählte Erneuerbare-Energie-Kraftwerke in Deutschland abzubilden.

Die Daten

Möglich wird unser Projekt dank eines ausführlichen Datensatzes, den die überregionalen Netzbetreiber (das sind die, die unter anderem dafür sorgen, dass es keine Stromausfälle gibt) einmal jährlich auf www.netztransparenz.de veröffentlichen. Gespickt mit sehr interessanten Daten wie Adressen, Einspeiseleistung und noch viel präziseren Informationen, etwa ob die Anlagen fernsteuerbar sind. Für journalistische Zwecke wurde dieser Datensatz noch nicht ausreichend genutzt. Wir vermuten, das liegt an der Unzugänglichkeit der Daten: Zwar sind die Daten frei verfügbar, doch wer sie vollständig nutzen und analysieren möchte, muss sie in eine PostgreSQL-Datenbank einspeisen. Dank Simons Programmierkenntnissen können wir das.

Wir wollen es jedoch nicht nur bei der Visualisierung dieser Daten an sich bewenden lassen. Energie ist ein Thema, das uns alle angeht. Auf unserem Portal wollen wir zusätzlich Energiewirtschafts-Themen mittels Datenanalyse nachgehen: Wie steht Deutschland bei der Energiewende im internationalen Wettbewerb da? Welche neuen Techniken entstehen dank der Energiewende? Und wie funktioniert die Wirtschaft hinter der Wende? Wer sind die großen Öko-Player bei den Stadtwerken? Wie entwickelt sich für sie das Geschäft mit grünem Strom? Wer sudelt rum? Und warum? Unsere Fragen sind vielfältig. Wir wollen in den Daten darauf Antworten finden.

Unsere Motivation

Freilich gibt es schon jetzt viele Informationsportale zur Energiewende. Doch die Quellen sind interessengeleitet. Ob Bundesministerium für Wirtschaft und Energie oder einer der zahlreichen Energiewende-Vereine, sie alle haben eine Absicht. Auch hier fehlt es oftmals an Einordnung, der mit dem journalistischen Zwei-Quellen-Prinzip nicht unbedingt nachzukommen ist. Die gute Datenlage hingegen erlaubt uns, selbst nachzurechnen: etwa Prognosen der Bundesregierung zu überprüfen. Ist das Ziel realistisch, bis 2050 mindestens 80 Prozent Erneuerbare Energie im Netz zu haben? Oder ist es Schönrechnerei? Und – vor allem – was geben die Daten heute wirklich schon her? Wir wollen unser Portal weiter ausbauen und mehr Daten journalistisch auswerten.

Zusätzlich treiben uns drei weitere experimentelle journalistische Aspekte an.

  1. Wenn immer mehr User nach Themen „googeln“ oder auf Empfehlungs-Links in Sozialen Netzwerken klicken, wer braucht dann noch einzelne Ressorts in Online-Medien? Wir glauben: Die Zukunft des Internet-Journalismus gehört den Journalismus-Portalen. Mit unserem Energie-Portal wollen wir erste Erfahrungen mit dem Aufbau eines solchen Portals sammeln.
  2. Ein datengestütztes Portal aufzubauen, gibt uns einen weiteren Vorteil vor Leitmedien, die zusammenhangslos Artikel produzieren. Wir können auf unserer Datengrundlage (etwa einer Karte oder einer Timeline) Artikel miteinander verknüpfen. Was passierte an dieser Stelle vor einem Jahr? Oder welche Ähnlichkeiten gibt es in der Struktur von Erneuerbaren-Energie-Anlagen in Orten mit einer Einwohnerzahl kleiner als 30.000? Wir wollen mit structured journalism experimentieren – und so unseren Nutzern eine neue Form von Lesevergnügen verschaffen.
  3. Können wir als unabhängiges Datenjournalismus-Portal nicht auch zum Dienstleister für Lokalzeitungen werden? Der Kreiszeitung mit dem höchsten Grünstrom-Aufkommen in Deutschland ist diese Information doch sicherlich einen Aufmacher wert. Wir stellen Medien und allen Bürgern unsere Daten zur Verfügung. So können wir mit unserem Portal nicht nur die Allgemeinheit aufklären, sondern auch zum Fachdienst avancieren.

Wie es weitergeht

Zwar gibt es bereites einen ersten Entwurf, einen Visualisierungs-Aufriss, den Simon in einer durchgecodeten Nacht aufsetzte. Doch erst einmal werden wir mit der Planung unseres datenjournalistischen Großprojekts beschäftigt sein. Wir werden ein Konzept ausarbeiten, Daten verifizieren, Datenschutzbestimmungen büffeln und uns mit Experten unterhalten. Wir halten Euch über unseren Weg hier bei VOCER auf dem Laufenden. Ihr wollt diskutieren oder habt Anregungen? Dann meldet Euch über Twitter bei @marvinmilatz und @simonwoerpel.

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