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Seine Scheinheiligkeit Günther Jauch

Günther Jauch kann schön naiv tun und manchmal richtig blöd dreinschauen – und ist doch das genaue Gegenteil: gerissen und clever. Jetzt aber hat er mit seinen Versuchen, sich zu verstellen, maßlos übertrieben.

Günther Jauch kann immer so schön naiv tun und manchmal richtig blöd dreinschauen – und er ist doch das genaue Gegenteil: gerissen und clever. Jetzt aber hat er mit seinen Versuchen, sich zu verstellen, maßlos übertrieben: Am 18. Dezember vorigen Jahres hatte Jauch in seiner Talkshow öffentlich eine im Kern ekelhafte Frage zu Bettina Wulff gestellt.

Diese Frage, vorgebracht von Deutschlands bekanntestem und beliebtestem Talkmaster, elektrisierte. Und sie adelte die Rotlicht-Gerüchte über das Vorleben der ehemaligen First Lady, erhob sie über den Status bloßer Gerüchte hinaus. Jauchs Frage wirkte wie ein Brandbeschleuniger bei der Verbreitung anonymer Verdächtigungen, für die es keinen einzigen Beleg gab. Aber jetzt versteigt sich der Talkmaster in seiner bekannten gespielten Naivität: „Wer daraus eine Herabsetzung von Frau Wulff konstruiert, liegt daneben.“

Man kann sich fragen, ob Bettina Wulff sich mit ihrer juristischen Großoffensive gegen alle möglichen Zeitungen, Zeitschriften, Google und eben auch Günther Jauch wirklich einen Gefallen tut. Verständnis dafür kann man allemal haben. Wohl kein anderes Gerücht hielt und hält sich seit Jahren dermaßen hartnäckig, ist einfach nicht aus der Welt zu schaffen, wie das vom angeblich zweifelhaften Vorleben der ehemaligen Präsidenten-Gattin. Dabei widersprechen sich die vermeintlichen Beweise bis ins Lächerliche, und es gibt keinen einzigen auch nur halbwegs ernstzunehmenden Beleg.

Das war auch und erst recht so im Dezember vorigen Jahres. Trotzdem ergingen sich Zeitungen auf dem Höhepunkt der Affäre Wulff genüsslich in haltlosen Andeutungen zum Vorleben der Gattin Bettina. Das war eindeutig verantwortungslos. Genauso verantwortungslos aber war es von Deutschlands Lieblings-Talkmaster, eine solche Andeutung einer Zeitung aufzugreifen und vor einem Millionen-Publikum scheinbar wertfrei in eine Frage zu kleiden. Er habe doch, verteidigt sich seine Scheinheiligkeit Jauch heute, „niemals eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern lediglich aus einem Artikel der ‚Berliner Zeitung‘ zitiert“.

Jetzt hat Jauch klein beigegeben und den Anspruch von Bettina Wulff auf Unterlassung anerkannt. Christian Schertz, Staranwalt des Starmoderators, versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Er erklärte, „dass wir den Anspruch anerkennen – ohne ein Fehlverhalten damit einzuräumen“. Damit wirkt er so überzeugend wie ein Boxer, der sich nach einer K.O.-Niederlage aus dem Ringstaub aufrappelt und selbst zum Sieger erklärt.

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