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Von US-Entrepreneuren lernen

Beim „Entrepreneurial Journalism Summit“ zeigt die amerikanische Branche, was sie der deutschen voraus hat: Sie hat das Jammern überwunden. Christian Fahrenbach über weitere Lektionen des Events.

Dass unternehmerischer Journalismus eine immer größere Rolle in der Aus- und Weiterbildung spielt, ist lange noch nicht allen, aber immerhin einigen bewusst – mehr in den USA als in Deutschland. Während Entrepreneurship im Journalismus hierzulande ganz langsam Einzug hält, wird das über dem Atlantik schon an zahlreichen Hochschulen gelehrt, zum Beispiel im Studiengang „Entrepreneurial Journalism“ an der City University New York.

Einblicke in die Lektionen erhält die Öffentlichkeit beim „EJ Summit“. Wenn diese Veranstaltung in Deutschland wäre, dann bräuchte es nur einen sehr viel kleineren Konferenzraum. Wir sind aber in den USA – und hier finden sich mehr als 60 Professoren und Dozenten zum Austausch auf der “Entrepreneurial Journalism Summit” in New York. So groß ist hier die Gruppe derer, die ihre Studenten bereits zu unternehmerischem Journalismus unterrichten und die gemeinsam über Wege sprechen wollen, diese Vorlesungen zu verbessern.

Bereits in der Keynote von Elizabeth Thornton vom Babson College in Massachusetts zeigt sich, warum die Szene in den USA womöglich weiter entwickelt ist: Als eine der ersten Folien hat sie eine Karikatur dabei, die Mentalitätsunterschiede beider Länder gut auf den Punkt bringt. “Quit your yappin’ and go create something!” steht dort – also etwa: “Hör auf zu jammern und leg mit irgendwas los!” Diese Haltung funktioniert bei uns halt immer noch zu selten.

Danach verließ Thornton jedoch schnell die Selbstbeweihräucherungsschiene und erklärte vier Prinzipien, die für sie guten Unterricht zur Selbstständigkeit im unternehmerischen Journalismus kennzeichnen:

1. Orientiert Euch an vorhandenen Mitteln, nicht an Zielen!

Studenten sollten darüber nachdenken, was sie bereits zum Start des Projekts mitbringen. Statt einer großen Sorgenliste mit mutmaßlich für den Erfolg nötigen, aber noch fehlenden Dingen sollte die erste Frage eher lauten: Welche Tools, Kenntnisse und welches Netzwerk habe ich? „Lasst sie ihre Vision formulieren und überlegen, wen sie in diese Version einbinden können.“

2. Wie hoch ist Euer Einsatz?

Das muss nicht alles ein. Stattdessen sollten die Studenten ehrlich überlegen, wie lange sie sich für ihr Projekt engagieren wollen. Wie viel Geld, Zeit und Beziehungen wollen sie investieren, bis sie ein funktionierendes Geschäftsmodell finden?

3. Arbeitet mit Unterstützern, die sich Euch aussuchen, nicht umgekehrt.

Der Einzelunternehmer muss nicht mehr wie früher alle Rollen selbst erfüllen, er sollte nicht einmal denken, dass er einen Programmierer braucht – das führt nur in die Konkurrenz mit Google. Stattdessen ist es hilfreicher, einen Mitgründer zu finden, mit dem man die gleichen Werte teilt.

4. Lernt Hindernisse und Überraschungen zu schätzen – sie werden zu Erfahrungen und Gelegenheiten.

Das Ziel bleibt klar, aber die einzelnen Handlungsschritte sollten entlang des Weges immer wieder angepasst werden. Die Lehrer sollten den Studenten zurufen: „Trefft Annahmen, legt los, holt Euch mehr Daten. Das Ergebnis wird nie Scheitern sein, sondern immer mehr Daten!“

Neben dieser Definition diskutierten die Lehrer auch darüber, mit welchen Herausforderungen sie sich täglich konfrontiert sehen. Die häufigsten Punkte: Es sei schwer, gegen die Angst vorm Scheitern anzukommen. Die Studenten seien zu sehr daran gewöhnt, dass ihnen jemand Ziele vorgibt. Überhaupt sei der Schritt schwer, über die Konzeptphase hinauszukommen. Und, ganz generell: „Viele Leute gehen doch in den Journalismus, weil Mathe so schwer ist.“ – Wie soll das mit Unternehmertun zusammenpassen?

Best Practice aus Dutzenden Unis

Einige dieser Fragen beantworteten die Teilnehmer direkt danach selbst. Sie zeigten den anderen in kurzen Impulsvorträgen, was an ihren Schulen gut funktioniert. “Denkt mehr über Kennzahlen nach”, sagte beispielsweise Miranda Mulligan vom Knight Lab der Northwestern University. „Wenn es schneller geht, eine Idee auf die Beine zu stellen als sie zu diskutieren, dann ist es auch besser, sie umzusetzen und auszutesten.“ Präsentationstraining mit ungewöhnlichen Methoden schlug Mark Potts von newspeg.com vor, darunter Puppenspiele oder ein Musikvideo. Auf diese Art lernten die Gründer, ihre Idee präziser zu formulieren. „Es hilft auch, die Studenten ihre Ideen tauschen zu lassen und sie die Konzepte anderer Schüler vorstellen zu lassen.“

Gleich mehrere Teilnehmer präsentierten ihre Partnerschaften mit lokalen Gründerinitiativen und anderen Fakultäten wie beispielsweise den Wirtschaftswissenschaftlern als Leuchtturmbeispiele. „Tut Euch zusammen mit einem Coworking-Büro oder einem Inkubator vor Ort. Die Studenten sehen dort, dass Unternehmertum auch Spaß und Energie bedeuten kann“, sagte Amy Eisman von der American University. Auf die positive Wirkung von funktionierenden Beispielen machte auch Brian Steffen vom Simpson College aus Iowa aufmerksam: „Andere Unternehmer beweisen den Journalisten, dass eigene Gründungen dazu führen, in einem schweren Markt selbst die Kontrolle zu übernehmen. Sie sehen diese anderen Leute und denken: Wenn der es schafft, schaffe ich es auch.“

Am Ende des Tages stellte Journalismusprofessor Jeff Jarvis mit den Teilnehmern einen Wunschzettel für die künftige Zusammenarbeit auf. Fallstudien zählen dazu, genauso wie ein erneutes Treffen in ein bis zwei Jahren, eine bessere Online-Vernetzung von Studenten und Fakultäten genauso wie möglicherweise die stärkere Zusammenarbeit mit internationalen Erfahrungen in der „Entrepreneurial Journalism“-Lehre. Dorthin könnte es aber noch ein langer Weg sein: Eine kurze Umfrage auch unter den internationalen Teilnehmern zeigte, dass kaum jemandem vergleichbare Studiengänge in Europa einfielen.

Ein Überblick über die Entrepreneurial Journalism Studiengänge in den USA finden Sie hier.


Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Zweitveröffentlichung von Entrepreneurial-journalism.de.

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