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Für eine bessere Debattenkultur: brabbl statt brabbeln

Die Streitkultur im Netz lässt zuweilen aufgrund polemischer Aussagen und fehlender Differenzierung zu wünschen übrig. Eine Genossenschaft aus Berlin will Web-Diskussionen jetzt besser strukturieren.

In den Weiten des Internets wird viel geplappert. Neben Blogs, Twitter und anderen sozialen Netzwerken toben sich die Nutzer auch in den Kommentarspalten unter Online-Artikeln aus. Statt sachlicher Information oder konstruktiver Meinung finden sich dabei allerdings oft gegenseitige Anfeindungen, langweilige Argumente und viele Wiederholungen – und oft anonym. Es hat den Anschein, als wären die Kommentarspalten lediglich zum Dampfablassen da – lesen will den Wust an Meinungen kaum jemand.

Doch das könnte auch anders gehen: Um wieder mehr Spaß nicht nur am Äußern von Meinungen, sondern auch am Diskutieren und Argumentieren im Netz zu zu wecken, haben ein paar Freunde ein Online-Diskussionstool entwickelt: brabbl fördert eine neue Streitkultur im Geist der Grice’schen Formel: Verständlichkeit, Wahrhaftigkeit mit Offenheit und Freiheit. Jeder brabbler hat die Chance, die Diskussion mitzulenken. Das „flag & tag“-Prinzip schützt den fairen Umgang untereinander. Trolle und Geschwafel gehören damit der Vergangenheit an. Das garantiert ungestörtes, konstruktives Streiten. Nicht Meinungen, sondern Argumente sollen ausgetauscht werden. Die werden dann von den Nutzern selbst nach Wichtigkeit, Brisanz oder Aktualität sortiert. Doppelte Argumente werden zusammengefasst. So werden Diskussionen übersichtlicher – und damit attraktiver.

Die Idee entstammt einem Kreativnetzwerk aus Berlin. Der Arbeitstitel lautete anfangs noch „discuss it“, denn genau das soll das Tool: Diskussionen im Web ermöglichen. Weil den Initiatoren der alte Name zu akademisch klang, heißt die Anwendung jetzt „brabbl“ – ein bisschen selbstironisch, denn das wollen sie ja gerade nicht: brabbeln.

brabbl-gruppenfoto

Das brabbl-Team bei einer internen Diskussion.

Genau so, wie mit Hilfe von Doodle Arbeitstreffen und Kinobesuche vereinbart werden, ist brabbl ein Werkzeug sowohl für gesellschaftliche Fragestellungen als auch für private Entscheidungen. Freunde können damit über das nächste Urlaubsziel diskutieren oder über das Geburtstagsgeschenk für einen Kumpel abstimmen. Niemand gibt vor, wer worüber auf der Plattform diskutiert.

Das Tool ordnet Gedanken in sinnvolle Einheiten und macht deren Position im Gesamtverlauf deutlich: inhaltlich wie chronologisch. Argumente sind das Herzstück einer konstruktiven Diskussion. Und so entwirrt brabbl den Brei aus Inhalt und Wertung und stellt Argumente ins Zentrum des Austauschs. Die Nutzer werden ermutigt, eigene Beiträge einzubringen und diese Pro oder Contra zu positionieren. brabbl visualisiert die Verknüpfung zwischen Argumenten, Diskussionen und Themen. Ein mehrstufiges Bewertungssystem entlarvt Scheinargumente und erleichtert schließlich die Entscheidungsfindung.

Um Mitbestimmung nicht nur zu predigen, sondern selbst zu praktizieren, ist brabbl kein normales Unternehmen, sondern eine Genossenschaft. Mitglieder werden zurzeit per Crowdinvesting über Startnext gesucht. Dadurch soll brabbl seine Unabhängigkeit behalten und nicht einzelnen Unternehmern, sondern allen Menschen gehören. Wer die Idee unterstützen möchte, kann Mitglied in der Genossenschaft werden und so Anteile am Unternehmen halten. Die Mitglieder können damit nicht nur über die Zukunft des Tools, sondern auch des Unternehmens mitbestimmen. Und wenn es dann Gewinne einbringt, werden die Genossen an der Ausschüttung beteiligt. Die Fundingschwelle hat brabbl bereits weit überschritten: Statt der gewünschten 40.000 Euro haben rund 200 Unterstützer 50.000 Euro investiert! Jetzt geht’s auf der Zielgeraden Richtung Fundingziel von 100.000 Euro. Damit soll die Einbindung von brabbl in andere Internetseiten finanziert werden.


http://www.startnext.de/

VOCER hat nicht nur selbst ein alternatives Finanzierungsmodell, sondern schreibt auch über andere Projekte, die unkonventionelle Wege gehen. Jeden Monat stellen wir ein Crowdfunding-Projekt von der Plattform Startnext vor, das wir für fördernswert halten.

Im April: „brabbl – Das Mitbestimmungs-Tool der Zukunft“

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