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Die Zukunft des Journalismus? Journalismus!

Die Welt von Presse, Fernsehen und Internet gehört den Medien-Nomaden. Doch nur wer Exklusives bietet, erreicht diese. Und das gelingt nur Redaktionen.

Journalismus lebt vom Journalismus! Zuweilen hat man den Eindruck, dass Verleger, aber auch Journalisten dies vergessen. Die Verleger, weil sie am falschen Ort sparen. Die Journalisten, weil sie, so scheint es, in Anbetracht der Veränderungen, die sich in den Medien vollziehen, mutlos geworden sind, pessimistisch über die eigene Zukunft.

Die Medienbranche ist in ihrer ganzen Breite einem brutalen strukturellen Wandel unterworfen. Und es wäre völlig unrealistisch, anzunehmen, dass es nach der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise wieder wie zuvor sein würde.

Abschied nehmen

Nein, es gilt definitiv, Abschied zu nehmen von den klassischen Regeln und Verhaltensmustern der Branche: Der Leser alter Prägung ist tot, ebenso der traditionelle Fernsehzuschauer! Geboren ist der Medien-Nomade! Er konsumiert transversal, nur seinen Neigungen entsprechend folgt er dem Angebot, das ihm Zeitungen, Zeitschriften Radio, iPhone und vor allem das Internet liefern. Keine Chance, ihn zu etwas zu überreden, was ihn nicht interessiert.

Seine Konsumlust wird nur durch das Zeitbudget begrenzt. Während sich das Medienangebot ständig erweitert, bleibt die Konsumzeit begrenzt auf 24 Stunden pro Tag minus Schlaf minus Arbeit. Der neue Medienkonsument wendet sich nur dem zu, was ihn wirklich informiert oder unterhält, möglichst exklusiv. Ein Medien-Nomade, der alles kennt, alles probiert, aber letztlich nur das konsumiert, was ihm gefällt. Nicht das Medium an sich ist entscheidend, auf den Inhalt kommt es an! Und das ist die Chance des Journalismus. Mit exklusiven Inhalten wird der Konsument heute allerdings nicht gerade verwöhnt. Die Globalisierung der Information, insbesondere der digitalen, hat nicht nur ihre Explosion, sondern auch ihre Banalisierung zur Folge: Jeder kommuniziert mit jedem, Maschinen aggregieren filterlos Nachrichten. In der Informationsgesellschaft 2.0 ist die Nachricht dabei, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Ich glaube, es ist an der Zeit, die Alarmglocke zu läuten! Und diese Rolle fällt meines Erachtens in erster Linie den traditionellen Medien zu. Zeitungen, Radio, aber auch das Fernsehen müssen sich der Banalisierung der Information entziehen, ansonsten begeben sie sich auf die Verliererstraße. Auflagen, Reichweiten und Einschaltquoten stagnieren oder sinken weltweit bereits seit Langem. Warum auch sollte ein Konsument mehrere Titel lesen oder mehr fernsehen, wenn überall, ohne journalistischen Mehrwert, das Gleiche geboten wird? Dafür ist die kostbare, weil beschränkte Zeit zu schade. Die Anarchie der Informationsverbreitung birgt ferner das Risiko, zunehmend Skepsis über die Verlässlichkeit der Medien und ihrer Werte zu erzeugen.

Für die Medien wird es zu einer Frage des Überlebens werden, der Information als Grundstoff des Journalismus eine neue Qualität zu geben. Nur sie wird die nachhaltige Existenz vieler Medien, vielleicht ganzer Gattungen gewährleisten können. „Qualität“ bedeutet hier aber nicht elitäres Zielgruppendenken oder gar editoriale Arroganz. In einer modernen demokratischen Gesellschaft muss sich Qualität auch in der Breite messen lassen, sofern der Journalismus seinen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen will.

Journalismus muss wirtschaftlich sein

Qualität kann auf jedem Niveau stattfinden, sie wird künftig die Voraussetzung für Auflagenerfolge sein und auch dafür, dass der Konsument bereit ist, für Print-Inhalte mehr zu bezahlen. Qualität ist somit überlebenswichtig für Zeitungen und Zeitschriften bei reduzierten Anzeigenerlösen. Qualität als Beurteilungsinstrument unserer Wirklichkeit kann und wird nicht „for free“ sein. Auch im Web wird sich Qualität auf Dauer ganz natürlich als Bezahlinhalt durchsetzen. Auch auf der Anbieterseite. Den besten und attraktivsten Inhalten wird die Nachfrage gelten: Gute und vor allem exklusive Inhalte haben Marktmacht!

Journalismus muss auch wirtschaftlich sein, die Voraussetzung für Unabhängigkeit! Medienunternehmer, vor allem Zeitschriftenverleger, sollten deshalb mit den durch Auflagen- und Anzeigenrückgänge schmaler gewordenen Investitionsressourcen besser umgehen. Anstatt die mittels Kostenmanagement oft den Redaktionen abgerungenen Mittel in neue, sich mehr und mehr gleichende Me-too-Produkte zu stecken, die den Markt weiter verstopfen und die Rentabilität bestehender „Brot“-Objekte schwächen, sollten eher die Redaktionen und Inhalte der bestehenden Titel für den Überlebenskampf im digitalen Schlachtfeld fit gemacht werden. Dieser Kampf hat erst begonnen. Nur die Besten werden überleben! Aber auch Journalisten müssen sich die Frage gefallen lassen: Sind sie aufgeschlossen genug, den revolutionären Entwicklungen ihres beruflichen Umfeldes zu begegnen, die Herausforderungen der crossmedialen Verbindungen in der redaktionellen Produktion mit Enthusiasmus anzunehmen? Noch gibt es vielerorts Widerstand, Skepsis oder Ängste. Zu wenig noch wird das neue Berufsbild als Chance definiert und akzeptiert.

Mehr Vertrauen in die Zukunft

Entscheidend wird neben den wirtschaftlich-technischen Aspekten für die Zukunft des Journalismus aber sein, wie Journalisten, Verleger und Medienverantwortliche ihre Rolle in den Medien, der Gesellschaft und gegenüber dem Konsumenten definieren. Die Lieferung von gefälligen, aber oberflächlichen Inhalten wird nicht genügen. Orientierung ist vonnöten, Meinung gefragt! Basierend auf guter Recherche und Glaubwürdigkeit. Fesselnde Reportagen, die die Welt zeigen, wie sie ist: problematisch, aber lebenswert. Der moderne Medienkonsument will kompetent und glaubwürdig informiert, aber auch intelligent unterhalten werden. Und: Das Leben ist nicht nur schrecklich! Für manchen Journalisten ist es an der Zeit, umzudenken.

Auch gilt es, darüber nachzudenken, wie Zeitungen und Zeitschriften morgen aussehen werden. Vermutlich werden irgendwann gerollte oder faltbare digitale Lesegeräte das Papier zu verdrängen versuchen. Noch ist es nicht soweit! Für Print-Journalisten bleibt es spannend: „Nur“ mit Text und Fotos bedruckte Seiten, ohne Ton und bewegte Bilder, müssen gegen mobile Touch-screens antreten – eine hohe Herausforderung an Kreativität und Content. Aber diese Herausforderung wird bestehen bleiben, was immer auch künftig an Technologie aufgeboten werden wird.

Nicht die Technik ist ausschlaggebend, sondern der Zweck, dem sie dient: Der Konsument, der letztlich über ihre Nutzung entscheidet, will Interessantes lesen, amüsant unterhalten und zuverlässig informiert werden. Nur exzellente journalistische Arbeit ist in der Lage, dies zu gewährleisten. Gute Journalisten – aber auch manche Verleger – sollten deshalb mehr Vertrauen in die Zukunft haben, aber auch in ihre Fähigkeit und in ihren Willen, diese entschlossen anzugehen.

Und sie sollten vor allem mit der Überzeugung leben: Die Zukunft des Journalismus liegt im Journalismus!


Ursprünglich ist dieses Essay als Teil der „SZ“-Reihe „Wozu noch Journalismus“ erschienen, die auch als Buch erhältlich ist. VOCER veröffentlicht ausgewählte Beiträge in teils leicht aktualisierter Form.

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