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brutal: Erklären, Schützen, Morden

Gewalt verjährt nicht. Sie kann schwer verständlich sein oder einfach schützen. Drei „brutal“-Redakteure erzählen von ihren Recherchen.

Die Kompaktklasse 52K der Deutschen Journalistenschule arbeitet derzeit an ihrem Abschlussprojekt: Das Magazin “brutal” soll sich mit allen Facetten von Gewalt beschäftigen. Für VOCER berichten die jungen Journalisten von der Entstehung ihres Hefts.

Vom Terror in die Normalität

margheritabettoniIch bin 1987 in Italien geboren. Bis vor Kurzem lebten für mich die Siebzigerjahre nur in den Schlaghosen und den bunten Röcken im Schrank meiner Mutter, die sie selbst Jahrzehnte später noch trug. Als ich klein war, erzählte sie mir von ihrer Unizeit in Padua und von den friedlichen Demos, an denen sie teilgenommen hatte. Für „brutal“ habe ich mich mit der dunklen Seite der Siebziger befasst: mit Terrorismus, mit Bombenanschlägen, mit den Schwächen der italienischen Republik. In Turin habe ich eine ehemalige Linksterroristin getroffen, die gemordet hat. Wie fühlt es sich an, einen Menschen zu töten? Und ist es möglich, nach so einer Tat wieder ein normales Leben zu führen? Die Reise nach Turin ist für mich nicht nur ein Einblick in das Leben eines Menschen gewesen, sondern auch eine Zeitreise in die Geschichte eines Italiens, das ich fast gar nicht kannte.

Margherita Bettoni

Vom Spielplatz ins Gefecht

jurekskrobalaKinder kommen leicht aus dem Klassenzimmer in den Krieg. Ein paar Klicks im Browser, ein Knopfdruck auf der Fernbedienung, ein Blick auf die Boulevardzeitung, die im Kiosk neben der „Micky Maus“ liegt. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es als Grundschüler war, Gewalt ausgesetzt zu sein. Hatte ich Alpträume? Ich weiß noch, dass ich oft „Logo“ geschaut habe, weil ich da das Gefühl hatte, zu verstehen, worüber die Erwachsenen so sprechen – über Politik, Kriege, Tote. Für »brutal« habe ich mir noch einmal „Logo“ angeschaut und auch andere Medien, die Kinder Gewalt erklären: TV-Formate, Radiosendungen, Apps. Die Macher von Kindernachrichten haben mir gesagt, worauf man achten muss, wenn man Gewalt kindertauglich verpackt. Darf man über Mord an Kindern berichten? Gibt es Tabuwörter? Welche Bilder erzeugen Angst in Kinderköpfen? Seit meinen Recherchen schaue ich übrigens wieder ab und an »Logo« und habe das Gefühl, mehr zu verstehen.

Jurek Skrobala

Von Laura zu Alice

laurameschedeIn der Ausbildung für Personenschützer, die ich für meine Geschichte besucht habe, hatten alle Bodyguards einen Funkrufnamen. Meine Mitauszubildenden hießen Tackleberry und Junior, der Geschäftsführer Phoenix („Ich habe diese Akademie quasi aus der Asche emporgehoben“). Und ich? Laura Meschede. Ganz schön lame. Im Zug nach Hause habe ich angefangen zu grübeln: Was wäre ein passender Funkrufname für mich? Da ich in der Ausbildung nicht so richtig brillieren konnte, kommen Number One und Wonder Woman wohl nicht in Frage. Verzweifelt schreibe ich eine SMS an Tackleberry: „Gib mir einen Funkrufnamen! Los!“ Er lässt sich einen quälend langen Tag Zeit, tauft mich dann Alice aus „Resident Evil“ – nach der unglaublich attraktiven und starken Zombie-Killerin, der fähigsten Figur im ganzen Film. Seither schwebt mein Ego knappe drei Meter über meinem Kopf. Braucht ihr eine Personenschützerin? Alice ist immer bereit.

Laura Meschede

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