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Wolfgang Kubicki: „Bild ist keine Zeitung, die in die Tiefe geht“

Im September vergangenen Jahres scheiterte die FDP bei den Bundestagswahlen und erntete dafür viel Häme – besonders laut vonseiten der Bild. Im Interview erzählt der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, was er von der Boulevard-Zeitung hält.

VOCER: Herr Kubicki, als stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP haben Sie viel mit den Medien und auch mit der Bild-Zeitung zu tun. Wie sieht Ihre Meinung über das Boulevard-Blatt aus?

Wolfgang Kubicki: Differenziert. Ich habe frühzeitig gelernt, dass man die Bild-Zeitung morgens lesen muss, um festzustellen, was die breite Öffentlichkeit interessieren könnte. Hans-Dietrich Genscher hat immer gesagt: „Das ist die Pflichtlektüre vor allem anderen.“ Andererseits ist die Bild-Zeitung keine Zeitung, die in die Tiefe geht. Es ist eine Zeitung, die auch das Empfinden von Menschen widerspiegelt und bedient. Und was man auch sagen muss: Bild macht Meinung. Und zwar ganz bewusst und auch ganz nachdrücklich. Das kann man daran feststellen, dass man – ich auch – gelegentlich Anrufe bekommt und ein Redakteur sagt: „Wir haben Folgendes vor, können wir Sie damit zitieren?“ Es wird also nicht nach der Haltung zu einem Thema gefragt. Sie wollen etwas transportieren und brauchen dann einen Namen, den sie damit in Verbindung bringen können.

Kubicki_und_Christoffer

VOCER-Autorin Maren Christoffer und Wolfgang Kubicki.

Wenn Sie dann angerufen werden, wird Ihnen dann auch vorgeschlagen, an anderer Stelle mehr Platz zu bekommen, wenn Sie ihren Namen für das gewünschte Zitat hergeben?

Nein. Es ist immer nur so, dass die Redakteure eine bestimmte Idee haben, ein bestimmtes Thema, das in den Vordergrund gestellt werden soll, und dazu ein Gesicht, einen Namen, brauchen. Das letzte Beispiel war – was ich sehr toll fand – die Bild-Zeitung vom Samstag, 18. Oktober, wo es darum ging, sich gegen den IS und die Salafisten zu positionieren. Dort ist eine Reihe von Prominenten angerufen worden, um etwas dazu zu sagen. Mit einer bestimmten Richtung selbstverständlich. Das habe ich dann auch gemacht.

Halten Sie die Bild-Zeitung für ein journalistisches Qualitätsmedium?

Das ist eine sehr interessante Frage. Wenn man sie mit der Süddeutschen Zeitung vergleicht, dann mit Sicherheit nicht. Allerdings produziert die Bild-Zeitung auch für ein anderes Publikum. Nämlich wirklich für die breite Masse, die morgens beim Frühstück nicht viel Zeit hat, sich mit Hintergrund zu beschäftigen, sondern schnell Informationen haben will. Manchmal ist es dann eben so, dass man woanders nachlesen muss, um mehr darüber zu erfahren, was die Bild-Zeitung gemeldet hat.

Wie haben Sie die Berichterstattung der Bild-Zeitung nach dem Bundestagswahldebakel der FDP im vergangenen Jahr erlebt?

Die war nicht schlimmer als die Häme aller anderen Medien, womit die FDP überschüttet wurde. Sie war intellektuell nicht so brillant, wie die der taz beispielsweise. Gleichwohl war es im Konzert aller keine besondere Stimme. Nur eine besonders Laute.

Könnte man sagen, dass die Bild im Vorfeld der Wahlen auch zum Absturz der Partei beigetragen hat?

Nein! An dem Absturz sind wir selbst schuld. Die Bild-Zeitung trifft ja wie alle anderen Medien mit der Meinung, die sie macht, auf einen Kommunikationshintergrund. Wenn der nicht stimmt, dann geht die Meldung auch in die falsche Richtung. Beziehungsweise geht die Meinung in die falsche Richtung. Das wurde dann richtig platziert. Der große Vorteil der Bild-Zeitung ist, dass sie unglaublich viele Menschen erreicht. Anders als die FAZ, die Süddeutsche oder auch der Spiegel. Das sind immer Zehnerpotenzen an Unterschied, was die Anzahl der Menschen angeht, die mit einer bestimmten Meinung konfrontiert werden.

Ich muss ja zu meiner Schande gestehen, dass ich auch jeden Morgen die Bild lese.

Ich finde nicht, dass es eine Schande ist. Es ist nur so niedlich, wenn die Bild-Zeitung sich darüber empört, dass Frauen zu Werbezwecken missbraucht werden. Aber selbst haben sie auf jeder zweiten Seite eine halbnackte Frau. Es ist besonders beeindruckend, dass sie mit dem Finger auf andere zeigen und dann selbst so publizieren.

Mir fiel in den letzten Wochen auf, dass die Bild eines der wenigen Medien ist, das die FDP-Politiker immer noch zu Wort kommen lässt, wie beispielsweise am offenen Brief von Christian Lindner zu sehen ist. Glauben Sie, dass die Bild dazu beitragen will, dass die FDP wieder stärker wird?

Ich weiß nicht, ob sie versucht, bei der Wiedergeburt zu helfen, aber man hat festgestellt, dass wir überall Euro-kritische Töne hören. Die einzige Partei, die sich wirklich zu Europa bekennt und auch zu den Vor- und Nachteilen von Europa, ist die FDP. Ich glaube, dass das in den Redaktionen – nicht nur bei der Bild, sonder auch bei der Welt – also im gesamten Springer-Konzern gesehen wird. Deshalb gibt es ein größeres Forum für die FDP als in der Vergangenheit.

Sie kommen in der Bild-Zeitung immer recht gut weg. Wie ist denn Ihr Verhältnis zu den Bild-Journalisten?

Ich habe an sich zu fast allen Redakteuren, auch wenn ich nicht mit ihnen einer Meinung bin, ein vergleichsweise gutes Verhältnis. Ich akzeptiere, dass sie ihrer Profession nachgehen. Die müssen mit mir nicht einer Meinung sein. Das ist durchgängig, durch alle Blätter und alle politischen Richtungen. Man muss sich wechselseitig eben nur attestieren, dass der jeweils andere es nicht böse meint. Und das ist auch mit den Redakteuren der Bild-Zeitung so.

Abschließend: Ihre Meinung zur Bild in einem Satz.

Bild provoziert mit „Bild dir deine Meinung“. Ich würde sagen: Bild bildet Meinung.


Die Otto Brenner Stiftung hat mehrere Studien zur Bild-Zeitung herausgegeben, in denen die Publikation intensiv systematisch analysiert wird. Die drei Studien können hier kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden.

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