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Wie Alice Schwarzer ihren Fall selbst zum Medienthema machte

Alice Schwarzers Steuerstraftat und ihr ungeschickter Umgang damit verstellen den Blick auf den einzigen Punkt, in dem sie Recht hat: Die Veröffentlichung ihrer Selbstanzeige im „Spiegel“ war Unrecht.

Spott, Häme und berechtigte Kritik ergießen sich derzeit kübelweise über Alice Schwarzer. Ihr Verhalten war kriminell, ihre Ausflüchte tragen Züge einer wahnhaften Persönlichkeit. Und zweifellos hat sie durch ihre groteske Selbstverteidigungsschrift „In eigener Sache“ alles noch viel schlimmer gemacht. Doch Frau Schwarzers Steuerstraftat und ihr ungeschickter Umgang mit deren öffentlicher Aufdeckung verstellen den Blick auf den einzigen Punkt, in dem sie Recht hat: Die Veröffentlichung ihrer Selbstanzeige im „Spiegel“ war Unrecht und obendrein schädlich für das Gemeinwohl.

Wenn Menschen – auch prominente – wegen einer Straftat öffentlich angeprangert werden, dann ist dies nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse besteht. Wir müssen also fragen: Was gehen uns die Steuerdelikte einer Frauenrechtlerin an? Was spricht für, was gegen ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, über einen solchen Vorgang informiert zu werden?

Frau Schwarzer kann wegen ihrer Tat strafrechtlich nicht mehr belangt werden, wenn ihre Selbstanzeige rechtzeitig und vollständig erfolgte. Das nimmt der Geschichte schon einiges an aktueller Relevanz und spricht klar gegen ein berechtigtes Informationsinteresse. Insofern liegt ihr Fall anders als der von Uli Hoeneß, denn gegen Hoeneß läuft aktuell ein Strafverfahren.

Wohlweislich geschwiegen

Hätte Frau Schwarzer sich in der Vergangenheit kritisch über andere Steuersünder geäußert, hätte man ihr nun Bigotterie nachweisen können. Wohlweislich hat sie zu diesen Fällen jedoch öffentlich stets geschwiegen. Vermutlich wurde sie auch nie dazu befragt, denn ihr Lebensthema sind die Rechte der Frauen und nicht die durchaus geschlechtsneutralen Steuervergehen deutscher Multimillionäre. Auch damit lässt sich eine Berichterstattung also nicht rechtfertigen.

Schwarzers gerichtlich vielfach sanktionierte Vor- und Nachverurteilungen des freigesprochenen Jörg Kachelmann können ebenfalls nicht herangezogen werden, um ein Berichterstattungsinteresse an ihrem Schwarz-Zins-Konto zu begründen. Denn der fehlende Respekt für die Persönlichkeitsrechte eines zu Unrecht Beschuldigten beraubt auch die starrsinnigste politische Agitatorin nicht ihrer eigenen Rechte. Das sogenannte „Recht zum Gegenschlag“ steht nach deutschem Presserecht nur ihrem Opfer Jörg Kachelmann zu, nicht aber den Medien. Frau Schwarzer ist kein Boxsack für jedermann.

Gegen ein öffentliches Informationsinteresse spricht auch die Art und Weise, wie die Tat bekannt wurde: Bei realistischer Betrachtung muss man davon ausgehen, dass ein deutscher Finanzbeamter sich wegen Verletzung des Steuergeheimnisses strafbar gemacht hat. Eine solche Pflichtverletzung darf nicht auch noch dadurch belohnt werden, dass den Medien ein Recht an den Früchten des Verrats eingeräumt wird. Die offizielle Version vom Schweizer Informanten klingt wenig plausibel, denn dortige Stellen dürften an der Selbstanzeige nicht beteiligt gewesen sein. Und dass ein Schweizer Banker die Presse zufällig gerade dann über das Konto informierte, als sich Schwarzer mit der Finanzbehörde einigte, ist ebenfalls fernliegend. Womöglich dient die Geschichte vom Schweizer Informanten nur dazu, die wahre Quelle vor einer Durchsuchung des Fiskus durch die Staatsanwaltschaft zu schützen, wie sie gerade im Fall Hoeneß stattfand.

Schließlich sprechen auch Gründe des Gemeinwohls gegen eine öffentliche Anprangerung von Steuerstraftätern, die ihre Tat freiwillig selbst angezeigt haben. Denn wenn solche Selbstanzeigen künftig nicht mehr diskret behandelt werden, sondern der Täter damit rechnen muss, dass sein Fall öffentlich bekannt gemacht wird, dann wird er sich dreimal überlegen, ob er sein Konto angibt und legalisiert. Das kann niemand wollen.

Angreifbare Verteidigung

Wenn das die Rechtslage ist, weshalb schreibe ich dann über den Fall Schwarzer, anstatt darüber zu schweigen?

Weil Alice Schwarzer durch ihre misslungene Gegenrede das bewirkt hat, was Presserechtler eine „Selbstöffnung“ nennen. Sie hat ihre Steuerstraftat öffentlich thematisiert und sich in höchst angreifbarer Weise verteidigt. Wenn sie das Horten eines mutmaßlichen Millionenbetrages in der Schweiz augenscheinlich damit begründen will, dass ihre deutschen Konten im Falle einer politisch bedingten Flucht ins Ausland nicht mehr sicher gewesen wären, dann muss sie sich mittlerweile sogar Journalistenfragen nach dem eigenen Geisteszustand und nach den wahren Motiven der Steuerhinterziehung gefallen lassen. Das hat Frau Schwarzer sich selbst eingebrockt. Jedenfalls insoweit ist ihr nicht mehr zu helfen.


Hinweis der Redaktion: Der Autor hat Jörg Kachelmann in zahlreichen presserechtlichen Verfahren gegen die Berichterstattung von Alice Schwarzer über seinen Strafprozess vertreten.

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