Zum Inhalt springen

Was Bertelsmann kann …

Ein Selbstgespräch darüber, wie Thomas Rabe Deutschlands größten Medienkonzern umbauen will.

Dieses Interview ist ungewöhnlich. Eigentlich wollte Thomas Schuler den Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann Thomas Rabe zu seinen Plänen befragen, das Medienunternehmen umzubauen. Am 31. Januar hatte Rabe angekündigt, Teile von RTL womöglich verkaufen zu wollen. Dabei ging Rabe einen neuen Weg der Kommunikation, indem er der Pressemitteilung ein Interview beifügen ließ, das seine eigenen Mitarbeiter mit ihm geführt haben. Ähnlich war er bereits mehrfach mit Video-Interviews verfahren, das eine Mitarbeiterin führte. Zu einem Gespräch mit Thomas Schuler war der Bertelsmann-Chef nicht bereit – trotz Anfrage. Thomas Schuler nahm sich die neue PR-Strategie zum Vorbild und führte ein Selbstgespräch über Rabes Pläne.

Herr Schuler, was hat Thomas Rabe vor?

Puuh, gute Frage. Wenn ich das wüsste. Oder anders gesagt: wenn er das selbst wüsste.

Geht’s bitte etwas genauer?

Rabes Problem besteht darin, dass er gerne zwei Milliarden Euro in Zukäufe im Bereich Bildung investieren möchte. Aber ihm fehlt das Geld. Vor einem Jahr wollte er Bertelsmann deshalb an die Börse bringen und ließ dafür eigens die Rechtsform des Unternehmens ändern. Aber er scheiterte an der Eigentümerfamilie Mohn. Offenbar hatte er voreilig eine unreife Idee verkündet. Nun will er die zwei Milliarden Euro durch den teilweisen Verkauf seines größten Gewinnbringers RTL Group erlösen. In dem Interview mit sich betonte er, dass Bertelsmann weiter zu RTL stehe und eine Mehrheit von 75 Prozent behalten möchte. Immer wieder betont er, dass das kein Widerspruch zu früheren Ankündigungen sei. Könnten Journalisten nachfragen, würden sie ihn sicher zum Scheitern seiner Ankündigung vor einem Jahr befragen. Aber das lässt der Konzern nicht zu.

Ist Bertelsmann denn mit dieser PR-Strategie erfolgreich?

So ein Angebot ist verlockend, gerade für Medien im Internet. Der Mediendienst „Meedia“ hat das Interview veröffentlicht. Zwar hat „Meedia“ darauf hingewiesen, dass es aus dem Intranet von Bertelsmann stamme. Journalistisch ist das in Ordnung. Aber diesen Hinweis überliest man leicht.

Ist das nicht besser, als wenn Rabe nichts sagen würde?

Wir Journalisten sind gefräßig. Wir haben nie genug. Je weniger Zeit wir haben und je mehr Material wir bekommen, desto weniger denken und fragen wir nach. Wir werden träge und unkritisch. Die PR-Leute bei Bertelsmann kennen uns und unsere Schwächen gut. Würde Rabe nichts sagen, dann würden wir spekulieren, seine Pläne hinterfragen und andere Insider befragen. So aber füllen wir den Platz mit den Antworten, die er uns geben will. Er behält die Kontrolle. Hier ist das Übel, das wir Journalisten seit Jahren bei der Autorisierung beklagen, auf die Spitze getrieben.

Kann man ihm das vorwerfen?

Wenn wir nicht nachfragen, dann ist das unser Problem. Der Mangel an Zeit und die Entwicklung spielen hier für Bertelsmann. Sprechen wir einfach von einer Entwicklung, die Gefahren birgt. Das hier ist sozusagen die Packungsbeilage mit dem Hinweis auf beabsichtigte Nebenwirkungen.

Haben Sie denn nachgefragt?

Wir können uns ruhig duzen. Wir kennen uns ja gut. Ich habe versucht, in Hintergrundgesprächen mit Mitarbeitern von Bertelsmann herauszufinden, was sie davon halten. Sie bezeichnen die Strategie des RTL-Verkaufs als nachvollziehbar. Allerdings bezweifeln sie, ob ein Verkauf von Gruner+Jahr-Zeitschriften in Spanien, wie im Manager Magazin kolportiert, angesichts der maroden Wirtschaftslage viel bringen würde. Sie halten für möglich, dass diesen Spekulationen nur ein Gedankenspiel im Aufsichtsrat von Bertelsmann zugrunde liegt. Von Gruner+Jahr in Hamburg habe ich jedenfalls nichts dergleichen gehört oder bestätigt bekommen.

Klingt kompliziert. Was hat Gruner+Jahr mit dem Ganzen zu tun?

Naja, Bertelsmann hält fast drei Viertel der Anteile und hat dort das Sagen. Möglich, dass Bertelsmann profitable G + J-Beteiligungen in Frankreich verkaufen möchte – das will aber G + J nicht. Falls das zutrifft, wird es interessant, weil G + J seit kurzem keine Stimme im Vorstand von Bertelsmann mehr hat. Klar ist auch, dass Rabe, falls er RTL-Anteile verkauft, das Wachstum aller neuen Investitionen am Wert dieser Anteile messen lassen muss. Wenn die Zukäufe weniger Gewinn bringen als die RTL Group, wird ihm das immer wieder vorgehalten werden.

Hast du ein Interview angefragt?

Ja, Rabes Sprecher schrieb: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Herr Rabe gibt derzeit keine Interviews.“ Zur Konzernstrategie äußere sich Rabe in der Bilanzpressekonferenz am 26. März. Ich nehme an, dass er dann einen Teilverkauf von RTL und einen neuen Zukauf aus dem Bildungsbereich vermelden möchte, um nicht weiter als Manager der ewigen Ankündigungen beschrieben zu werden. Vermutlich befragen seine Mitarbeiter ihren Konzern-Chef dann wieder selbst. Und Journalisten werden dankbar zugreifen. Kostet ja nichts.


Die Fragen stellte sich Thomas Schuler. Das Interview erschien zuerst in der „Berliner Zeitung“ und der „Frankfurter Rundschau“.

Nach oben