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Oliver Wurm: Der Berufsoptimist

Mit der WM-Heft-Reihe „54749014“ hat Oliver Wurm den Puls der Zeit getroffen – trotz vieler Widerstände. Im Interview erklärt er, wie es ihm gelungen ist, ein Printprodukt ohne Anzeigen auf den Markt zu bringen.

VOCER: Herr Wurm, herzlichen Glückwunsch! Sie waren mit Ihrer WM-Reihe 54749014 für den Reporterpreis nominiert und wurden Fünfter bei der Wahl zum „Sportjournalist des Jahres“.

Am Ende eines doch sehr anstrengenden Jahres war das tatsächlich eine schöne Motivationsspritze. Vor allem wenn man bedenkt, wie das Ganze eigentlich begonnen hat.

Was meinen Sie damit?

Ursprünglich gab es Mitte 2013 lediglich die Idee, mit ein paar guten Freunden nach Brasilien zu fliegen und die Fußball-WM als Fan vor Ort zu erleben – nicht als Journalist.

Oliver Wurm mit einem Argentinien-Fan bei der WM.

Oliver Wurm mit einem Argentinien-Fan bei der WM.

Woran ist Ihr Vorhaben gescheitert?

Bei der Buchung unserer vermeintlichen Unterkunft, sind wir einer Trickbetrüger-Truppe aus Osteuropa aufgesessen: Über ein großes, und eigentlich seriöses Internet-Portal, hatten wir das perfekte Appartement gefunden. Direkt am Strand von Ipanema gelegen. Das ging aber alles etwas zu glatt, wie sich später herausstellen sollte. Die komplette Geschichte hier nun en Detail zu erzählen, würde den Rahmen sprengen. Um es kurz zu machen: Es gab das Haus nicht. Und unser komplettes Geld war weg. Als wir merkten, dass etwas nicht stimmt, war es bereits zu spät.

Das hört sich hollywoodreif an. Was wurde dann aus der Reise mit Ihren Kumpels?

Bei den Jungs war die WM-Lust verständlicherweise weg. Vor allem aber das daür veranschlagte Budget. Ich habe mich dann umentschieden und ganz offiziell bei der Fifa als Journalist akkreditiert.

Sie haben also aus der Not eine Tugend gemacht.

Auch wenn das Spiel in England erfunden wurde: Für mich ist Brasilien das Mutterland des Fußballs. Ich wollte unbedingt zu dieser WM! 100 Tage vor Turnierstart habe ich daher im Eigenverlag ein Projekt gestartet. Ein kombiniertes Social-Media-Print-Konzept, das mich bestenfalls über das gesamte WM-Jahr hinweg beschäftigen würde.

Es ist anzunehmen, dass Sie von 547490 sprechen. Sie haben das Folgeheft 54749014 also vom Start weg mitgedacht? Sind Sie Berufsoptimist?

Zumindest habe ich mir, als ich die Seite 547490 gesichert habe, die Domain 54749014 in allen Varianten und auf allen Plattformen gleich mit gesichert. Die Titel klingen für Nicht-Fußballfans ja auf den ersten Blick wie Postleitzahlen. Aber die Kombination aus den Jahreszahlen der ersten drei deutschen WM-Titel 1954, 1974 und 1990, sollte von Beginn an den vierten Stern beschwören. Und durch den WM-Song der Sportfreunde Stiller von 2006 hat man die „14“ ja auch vom Start weg quasi mitgedacht. Also mir ging es jedenfalls so.

Hatten Sie am Anfang des Projekts eine Ahnung davon, was Sie alles erwartet?

Wenn ich gewusst hätte, wie viel Energie das Projekt raubt und wie viele Rückschläge es geben würde, dann hätte ich es vermutlich nie begonnen. Aber das ist leider eine Macke, die ich habe: Ich springe erst einmal vom Zehnmeter-Turm ab – und schaue dann im Flug, ob auch Wasser im Becken ist.

Heft-Cover von "547490".

Heft-Cover von 547490.

Welche Rückschläge gab es denn?

Das journalistische Handwerk und das Kollegen-Netzwerk für ein solches Vorhaben habe ich, da hatte ich keine Bedenken. Die eigentlichen Hürden bei im Eigenverlag gestemmten Projekten aber sind immer die zwei großen „V“: Vertrieb und Vermarktung! Für das Vor-WM-Heft hatten wir mit Horst Eckel, Bernd Hölzenbein und Guido Buchwald erstmals drei Weltmeister aus drei Generationen zu einem exklusiven Interview an einem Tisch. Dazu gab es eine großartige und aufwändig produzierte Fotostrecke, in der über ein Dutzend Weltmeister von Franz Beckenbauer und Günter Netzer bis Lothar Matthäus und Andreas Brehme ihre persönlichen Idole präsentierten. Kurzum: Das redaktionelle Paket war klasse. Die Vermarktung aber gestaltete sich dennoch unerwartet zäh.

Was heißt das konkret?

Für die einen kam das Heft zu früh, für andere zu spät. Etliche Mediaplaner haben nicht mal auf meine zugesandten Präsentationen geantwortet. Selbst aus dem großen Kreis der nationalen DFB-Partner und -Sponsoren konnten wir nur zwei begeistern. Grundsätzlich hatte man offensichtlich wenig Vertrauen in ein Projekt hinter dem kein Verlag steckt.

Wie haben Sie dieses Problem gelöst? Ohne Gelder von Sponsoren kann es ja theoretisch nur in die Hose gehen.

Wirtschaftlich ja. Schließlich hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits verbindlich das Papier für 100.000 Hefte gekauft. Rein inhaltlich betrachtet habe ich festgestellt: So ein Anzeigen-freies Heft gibt einem als Blattmacher gestalterisch ungeahnte Möglichkeiten. Vermarktungstechnisch habe ich kurz vor Druckabgabe dann auf ein – zugegeben – eher ungewöhnliches Konzept gesetzt: Das Prinzip der klassischen Logo-Wände ist ja aus den Fußballstadien hinlänglich bekannt – ich habe diese Idee einfach 1:1 in mein Heft übernommen. Für den symbolischen Wert von 1954 Euro, analog zum Jahr des ersten deutschen WM-Titels, konnten sich Unternehmen mit ihrem Logo an einer „Freundewand“ einkaufen. Im zweiten Heft kostete der Spaß dann konsequenterweise 2014 Euro.

Und das hat funktioniert?

Ganz hervorragend sogar. Was aus der Not entstand, entpuppte sich als großartige Chance. Einige nationale Sponsoren und befreundete Kreativagenturen unterstützten die Idee schon aus reiner Sympathie. Insbesondere für Fußball-begeisterte mittelständische Unternehmen aber ist die „Freundewand“ eine tolle Gelegenheit, für verhältnismäßig kleines Geld ihre Marke im Umfeld der Weltmeister zu platzieren. Für die 1954 Euro erhielt jeder Partner obendrein noch 200 Gratishefte für Mitarbeiter, Freunde und Kollegen.

So kommen die Hefte unter die Menschen und es wird darüber gesprochen …

Richtig. Ich würde es als eine klassische Win-Win-Situation bezeichnen, denn so waren bereits vom Start weg tausende Magazine in einer extrem hochwertigen Zielgruppe platziert. Alle Partner der „Freundewand“ können zudem Hefte zum Freundschaftspreis auch im großen Stil nachkaufen. Vier Partner orderten beispielsweise gleich eine komplette Palette mit jeweils 1000 Heften. Ich habe mich daher entschieden, bei dieser besonderen Fußball-Reihe in Vermarktungs-Fragen in Zukunft komplett auf das Prinzip „Freundewand“ zu setzen.

Wenn es sich am Anfang so schwierig gestaltet hat, Sponsoren an Land zu ziehen, dann haben Sie mit dem ersten Heft sicherlich rote Zahlen geschrieben. Stimmt diese These?

Mit 547490 habe ich – aufgrund der sechsstelligen Druckauflage und der hohen Redaktionskosten – trotz guter Verkäufe tatsächlich einen kleinen Verlust eingefahren. Das Nach-WM-Heft, in dem alle Spieler und die Trainer exklusiv ihren ganz persönlichen Big Moment des Turniers verrieten, hat es bereits in die Gewinnzone geschafft. Das dritte Magazin der Reihe, das noch im Dezember 2014 an den Kiosk ging, ist sogar schon mit einem Mini-Gewinn in den Markt gestartet. Eine tolle Entwicklung, die zeigt, dass es geht, wenn man beharrlich bleibt und Qualität abliefert.

Also können wir uns schon auf das nächste Heft von Ihnen freuen?

Heft vier kommt im Sommer! Für den Bereich der Logo-Akquise suche ich aktuell noch motivierte Mitarbeiter. Ich bin felsenfest davon überzeugt: Deutschlandweit gibt es hunderte Fußball-begeisterte Marken und Mittelständler, die man für ein solches Crowdfunding-Angebot begeistern könnte. Man muss sie nur finden und kontaktieren.

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