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Joseph Ratzinger, der Papst und die Barmherzigkeit

Die katholische Kirche ist groß, mächtig und böse. Deshalb darf man den Papst ruhig wüst beschimpfen, scheint sich das Satiremagazin „Titanic“ gedacht zu haben – und übersieht damit das Wichtigste.

Die katholische Kirche ist groß, mächtig und nach verbreiteter Meinung auch böse und unbarmherzig. Kindesmissbrauch, Hexenverbrennung, Kondomverbot, Frauendiskriminierung – das ganze Programm. Den höchsten Repräsentanten eines solchen Vereins, so meinen viele, darf man doch so wüst beschimpfen, wie man will.

Der Papst hat eine einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung der aktuellen „Titanic“ erwirkt. Auf deren Titel wird er als inkontinent dargestellt in Anlehnung an die von Wikileaks veröffentlichten Informationen – so „leakt“ der Papst vorn und hinten raus, die Zeile dazu: „Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden“.

Ehrlich empört über das Cover sind vor allem gläubige Katholiken. Sie empfinden eine Verletzung ihrer religiösen Gefühle und meinen, dass man den Stellvertreter Christi auf Erden (Matthäus 16, 18-19) so nicht behandeln dürfe. Die „Titanic“ selber freut sich über die kostenlose Werbung, und viele halten es für dumm, dass der Papst ihr durch sein gerichtliches Vorgehen auch noch eine Werbeplattform bietet und ihre Auflage steigert.

Eines übersehen sie alle: Joseph Ratzinger ist nicht die katholische Kirche, er ist auch nicht nur Papst, sondern er ist vor allem und über allem: ein Mensch.

Es ist daher völlig egal, was die Institution Kirche, die Institution des „Stellvertreters Christi“ oder die nur mittelbar betroffenen katholischen Gläubigen erdulden müssen oder nicht. Es geht nur um eines: darum, dass kein Mensch es ertragen muss, vollgepisst und vollgeschissen auf Vorder- und Rückseite einer Satire-Zeitschrift abgebildet zu werden!

Und weil eine solche Darstellung nicht nur papstverachtend, sondern sogar menschenverachtend ist, darf es auch keine Rolle spielen, dass die „Titanic“ durch den Wirbel um die einstweilige Verfügung letztlich einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Die unantastbare Menschenwürde steht nicht zur Disposition wirtschaftlicher Nützlichkeitserwägungen. Wenn Ratzinger eine Unterlassungsverfügung durchsetzt, dann geht es ihm darum, seine Herabwürdigung zu beenden. Es geht ihm nicht darum, der „Titanic“ einen Nachteil zu verschaffen oder ihr Vorteile zu missgönnen. Es gehört zu den geistigen Werken der Barmherzigkeit (Katechismus der Katholischen Kirche 2447), Unwissende zu belehren und Sünder zurechtzuweisen.

Der Papst ist barmherzig

Ich meine das ganz ironiefrei: Aus christlicher Sicht hat Benedikt XVI. die „Titanic“-Redakteure genau diese Barmherzigkeit empfangen lassen – und zwar durch das Landgericht Hamburg, nachdem seine eigene anwaltliche Abmahnung und Belehrung erfolglos geblieben ist. Wenn die „Titanic“ durch die öffentliche Zurechtweisung nun finanziell profitiert, wird Benedikt XVI. möglicherweise sogar die Größe besitzen, ihr auch dies zu gönnen und – ebenfalls im Sinne der Barmherzigkeit – die Lästigen geduldig ertragen und denen, die ihn beleidigen, gerne verzeihen (Katechismus 2447).

Voraussetzung hierfür wäre jedoch sicher, dass diese sich einsichtig zeigen. Danach sieht es freilich nicht aus. Denn der „Titanic“-Chefredakteur Leo Fischer war blöde genug, in einem Gespräch mit einem Online-Medienmagazin auch noch zu triumphieren und zwar offensichtlich gerade im Hinblick auf den schmerzensgelderhöhenden PR-Effekt des Gerichtsbeschlusses. „Dwdl.de“ schreibt:

Fischer freut sich über die zusätzliche PR für sein Magazin. Gegenüber „dwdl.de“ sagte er: „Ich hätte den Papst für klüger gehalten.“

Nun, ich hätte Leo Fischer für klüger gehalten. Wenn der Papst als Reaktion auf diese Häme noch eine Schmerzensgeldklage draufsatteln sollte, wird Fischers Satz die „Titanic“ viel Geld kosten, ebenso wie seine alberne Fanta-Pressemitteilung und die Folgeberichterstattung seines Blattes, die zum Ziel hat, die Geschichte auf Ratzingers Kosten noch weiterzudrehen.

Denn die Gerichte dürfen die Höhe einer Geldentschädigung unter Präventionsgesichtspunkten heraufsetzen, sagt der Bundesgerichtshof. Ich wage die Prognose, dass wir schon um die Jahreswende von einer weiteren „lehrenden und zurechtweisenden“ Gerichtsentscheidung lesen werden, die die uneinsichtige „Titanic“ zur Zahlung einer Geldentschädigung in sechsstelliger Höhe verurteilt. Für deren Verwendung werden dem Papst sicher geeignete mildtätige Zwecke einfallen.

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