Zum Inhalt springen

Hochmut kommt vor der „Bild“

Er protestierte gegen die Auszeichnung für zwei Journalisten der „Bild“-Zeitung, zitierte sogar aus der Bibel – warum Hans Leyendecker irrte, als er den Henri-Nannen-Preis ablehnte.

Donnerwetter, so kann man Wirkung erzielen: Man lässt sich von einer Jury für einen renommierten Preis benennen, reist adrett gekleidet zur Verleihung, geht auf die Bühne und verkündet dann, man wolle den Preis nicht annehmen. Das gibt so was Heldenhaftes, Prinzipienfestes, Tapferes in einer Welt voller opportunistischer Feiglinge. Der bekannte Journalist Hans Leyendecker hat diese Profilierungschance, obwohl er sie doch gar nicht mehr nötig hatte, für sich und seine Kollegen Klaus Ott und Nicolas Richter wacker genutzt.

Da hatte die Jury des Henri-Nannen-Preises Leyendecker und die beiden anderen Kollegen von der „Süddeutschen“ für ebenso preiswürdig befunden wie zwei Journalisten der „Bild“-Zeitung. Die hatten immerhin als Erste mit ihrer akribischen und meisterhaften Recherche zum Schnäppchenjäger Bundespräsident Christian Wulff den größten politischen Skandal des Jahres ausgelöst. Aber so ist das eben im System der unerbittlichen Werte eines Hans Leyendecker: Sollen er und gleichzeitig auch Kollegen von „Bild“ ausgezeichnet werden, dann ist das – Zitat Leyendecker – „ein bisschen ein Kulturbruch“. Und weiter im Originaltext für die Ablehnung: „Wir möchten nicht gemeinsam mit der ‚Bild‘ ausgezeichnet werden.“ Als ich das las, war der Verweigerer für mich so etwas wie ein moralischer Suppenkasper: „Ich esse meine Suppe nicht. Nein, meine Suppe ess‘ ich nicht.“

Und weil die Nannen-Jury sich nicht nur für Leyendecker und Co. als die einzig würdigen Preisträger in der Kategorie Investigation entschieden hatte, sondern auch für die Kollegen Harbusch und Heidemanns von „Bild“, wurde gegen diesen Frevel auch noch der Liebe Gott in Stellung gebracht. „Deine Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein“, zitierte Leyendecker aus der Bibel. In der steht allerdings auch:“Hochmut kommt vor dem Fall.“

Exzellente Journalisten bei der falschen Zeitung

Damit es keine Missverständnisse gibt: Auch für mich ist die „Bild“-Zeitung sehr oft das, was man im Volksmund ein „Scheiß-Blatt“ nennt. Ich könnte seitenweise schreckliche und teilweise menschenverachtende Fehlleistungen aufzählen. Aus eigener Betroffenheit nur ein Beispiel: Unsere NDR-Redaktion von „Panorama – die Reporter“ hatte aufgezeigt, mit welcher Raffinesse ein Carsten Maschmeyer zig Tausende Menschen um ihre Ersparnisse gebracht und sich selbst unvorstellbar reich gemacht hatte. Und ausgerechnet diesen Mann bejubelt und hofiert „Bild“ bei jeder denkbaren Gelegenheit.

Nur wurde eben nicht die gesamte oft unerträgliche „Bild“-Zeitung mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet – dies wäre in der Tat ein „Kulturbruch“ -, sondern es wurden zu Recht zwei exzellente Journalisten mit dem Preis bedacht, die nicht bei der „Süddeutschen“, sondern bei „Bild“ ihr Geld verdienen. Sie in der Weise zu diffamieren wie Leyendecker es mit seiner spektakulären Verweigerung getan hat, ist für mich journalistische Sippenhaft. „Bild“-Kollegen dürfen einfach keine guten Leistungen bringen.

Ungewolltes Lob

Hans Leyendecker hatte mal in einer Talkshow zum Wulff-Skandal sinngemäß gesagt, er nehme es dem damals noch amtierenden Präsidenten besonders übel, dass der ihn so weit gebracht habe, die „Bild“-Zeitung zu loben oder gegen Wulffs wütenden Attacken zu verteidigen.

So gilt das jetzt auch für mich: Ich nehme es dem Kollegen Leyendecker, den ich nach wie vor für Deutschlands besten Rechercheur halte, zumindest ein bisschen übel, dass er mich gezwungen hat, „Bild“ gegen seine Überheblichkeit zu verteidigen.

Nach oben