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Hart aber unfair: Der konstruierte Skandal um eine falsche Signatur

Die BamS will einen Skandal bei Frank Plasbergs Sendung „Hart aber fair“ aufgedeckt haben. Es folgen: Ein konstruierter Konflikt und ein möglicher Gesetzesverstoß.

Die BamS will einen Skandal aufgedeckt haben:

„Versicherungs-Affäre um TV-Star Plasberg“

titelt das Blatt. Und erläutert:

„Für ´Hart aber fair´ kassiert seine Firma Millionen von der ARD. Und macht Lobby-Arbeit für Versicherungskonzerne.“

Wer das liest, muss den Eindruck gewinnen, die angebliche „Lobby-Arbeit für Versicherungskonzerne“ sei der Skandal in dieser „Versicherungs-Affäre“. Man kennt diese Technik: Der Blog ´Topf voll Gold´ stellt regelmäßig die wunderbarsten Beispiele dafür vor, wie Boulevard-Medien auf dem Titel falsche Erwartungen wecken, die im Heft dann herb enttäuscht werden, weil die Geschichte auf nahezu nichts zusammendampft.

So wie hier:

Die vermeintliche Versicherungs-Affäre um Frank Plasberg besteht in Wahrheit darin, dass ein ´Hart aber fair´-Redakteur einen Brief unterschrieben hat, dessen Signatur in der dritten Zeile einen Fehler enthielt:

_______________

(Name)

Chef vom Dienst
Red. „hartaberfair“

Die Signatur war falsch, weil der Mann den Brief nicht in seiner Funktion als ´Hart aber fair´-Redakteur schrieb, sondern als Mitarbeiter von Frank Plasbergs Firma Ansager & Schnipselmann. Die produziert die bekannte ARD-Talkshow 34 mal im Jahr. Während der Monate, in denen ´Hart aber fair´ nicht läuft, meldet Ansager & Schnipselmann bei der Agentur für Arbeit nicht etwa Kurzarbeit für die saisonarbeitslosen Redakteure an, sondern lässt sie zum Beispiel Gäste für Diskussionsveranstaltungen des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) einladen. Das freut den Steuerzahler, der das Kurzarbeitergeld spart, und ist auch unbestritten vollkommen legal. Denn wer gut die Hälfte des Jahres redaktionelle Zuarbeit für einen öffentlich-rechtlichen Sender leistet, ist nicht gezwungen, in der übrigen Zeit Däumchen zu drehen. Es gibt kein Gesetz, das dies verlangt und auch vertraglich kann der WDR seinen Zulieferern nicht auferlegen, dass sie mehrere Monate im Jahr arbeitslos sein müssen. Sie dürfen also für andere Auftraggeber tätig werden. Die Versicherungsbranche stellt dabei keine Ausnahme dar. Wenn man ´Hart aber fair´-Redakteuren verbieten wollte, für Branchen zu arbeiten, die schon einmal in ihrer Sendung vorkamen, dann käme dies im Ergebnis einem Berufsverbot gleich.

Ob der Redakteur die Signatur am PC selbst eingefügt hat oder dies ein Versehen einer Schreibkraft war, die aus Gewohnheit die falsche Vorlage verwendet hat, kann dahinstehen. Er hat das Missgeschick jedenfalls nicht bemerkt. Das und nur das war sein Fehler. Vorsatz wird man ihm dabei nicht unterstellen können, denn es ist unrealistisch, dass ein erfahrener Politikredakteur sich bewusst angreifbar macht, indem er ohne Not zur offenkundig falschen Signatur greift. Auch der Mitarbeiter, der das Schreiben als Erstunterzeichner „i.A.“ für den urlaubsabwesenden Geschäftsführer unterschrieb, bemerkte den Fehler nicht.

Später hat der Redakteur dann noch eine E-Mail verschickt, die eine korrekte Signatur enthielt, allerdings am Ende noch folgende wohl automatisch eingeblendete Werbung für das bekannteste Produkt von Ansager & Schnipselmann:

„Hart aber fair – wenn Politik auf Wirklichkeit trifft! Jeden Montag um 21 Uhr im Ersten.“

Außerdem sei in dem Schreiben mit der „bekannten ARD-Moderatorin Anne Gesthuysen“ geworben worden, der Ehefrau von Frank Plasberg.

Die BamS erwähnt beides nur, kritisiert es aber nicht ausdrücklich. Zu recht. Denn durch die eingeblendete Werbung unterhalb der E-Mailsignatur behauptete der Redakteur natürlich nicht, dass er im Namen von ´Hart aber fair´ schrieb. Und auch der korrekte Hinweis auf die frühere Moderationstätigkeit von Anne Gesthuysen bei der ARD stellt lediglich eine zutreffende Beschreibung ihrer Person dar und nicht etwa eine Verletzung der Marke ARD. Denn § 23 Markengesetz stellt klar, dass der Inhaber einer Marke nicht das Recht hat, einem Dritten den bloßen „beschreibenden Gebrauch“ der Marke zu verbieten. Umgekehrt muss daher auch ein BamS-Redakteur nicht etwa verschweigen, wenn er früher einmal für den Focus gearbeitet hat, sondern sein Arbeitgeber darf die geschützte Marke „Focus“ ungestraft in einer Presseinformation verwenden.

Was die BamS dennoch aus einer ebenso harmlosen wie offensichtlichen Panne eines Redakteurs oder seiner Sekretärin macht, taugt als Lehrstück für die Skandalisierung eines Nicht-Vorganges in Sommerlochzeiten.

Der angeblich entsetzte Experte

Zunächst interviewt die BamS den Kölner „Medien-Professor“ Hektor Haarkötter, der in seiner Hochschul-Vita unter „Auszeichnungen“ unter anderem eine „Nominierung“ für eine Auszeichnung und mehrere „lobende Erwähnungen“ anlässlich der Vergabe von Auszeichnungen an Dritte auflistet, und der angeblich „entsetzt“ über die irreführende Signatur ist:

„Im Namen einer bekannten und seriösen ARD-Sendung werden hier Gäste für eine Lobby-Veranstaltung der Versicherungsbranche geködert.“

Hierin sieht Haarkötter eine

„komplette Vermischung von Redaktions- und Lobby-Arbeit, nur damit sich Herr Plasberg die Taschen vollmacht“.

Der Sozialneid eines freien TV-Journalisten und Professors für Kulturjournalismus auf die vermutet vollen Taschen seines Kollegen Plasberg, mag ein starkes Motiv für eine solche Wertung abgeben. Richtig wird sie dadurch nicht. Denn es ist schon falsch, dass hier im Namen von ´Hart aber fair´ eingeladen wurde. Der Brief enthält – abgesehen von der Signatur des Zweitunterzeichners – keinen einzigen Hinweis auf ´Hart aber fair´. Der erstunterzeichnende Geschäftsführer lud die Gäste vielmehr korrekt auf dem Briefkopf von Ansager und Schnipselmann ein und zwar mit zutreffender eigener Signatur. Die Einladung erfolgte auch nicht zu einer Fernsehsendung sondern ausdrücklich im Auftrag des GDV zu dessen Jahrestagung. Es ist daher auch Unfug, dass die Adressaten „geködert“ worden sein sollen. Denn weder war die Signatur des Zweitunterzeichners objektiv geeignet, etwa Bundesjustizminister Heiko Maas über die Identität des Einladenden oder den Zweck der Veranstaltung zu täuschen, noch kann man Ansager und Schnipselmann ernsthaft eine solche subjektive „Köder-Absicht“ unterstellen.

Der konstruierte Konflikt

Dies dürfte auch der BamS klar sein. Daher behauptet sie als Nächstes (Unterstreichung durch den Verf.):

„Einen Interessenkonflikt sieht Plasbergs Geschäftspartner Schulte nicht. Dafür aber der WDR, der mit Millionensummen „Hart aber fair“ finanziert. Auf BamS-Anfrage erklärte eine Sendersprecherin: „Wichtig ist dem WDR die klare Trennung zwischen der Produktion von ´Hart aber fair´ und den anderen Aktivitäten von Ansager & Schnipselmann. (…) Dass in den Briefen das ARD-Format ´Hart aber fair´ verwendet wurde, rügt die Sprecherin: „Der WDR hat Ansager & Schnipselmann darauf hingewiesen, dass dies nicht zulässig ist und künftig zu unterbleiben hat. Ansager & Schnipselmann hat dies zugesichert.“

Auch diese Darstellung ist schlicht falsch. Die BamS erfindet einen Widerspruch zwischen den Positionen von WDR und Ansager & Schnipselmann. Denn „Zoff“ verkauft sich im Boulevard immer gut. Der WDR hat jedoch gerade keinen Interessenkonflikt kritisiert, der es Ansager & Schnipselmann verböte, für den GDV zu arbeiten. Er hat lediglich die Verwendung der falschen Signatur gerügt. Das ist alles. In dieser Kritik stimmt der WDR aber mit Ansager & Schnipselmann überein, die eben diesen Fehler ausdrücklich eingeräumt haben. Alle sind sich also einig. Kein Zoff nirgends.

Der mögliche Gesetzesverstoß, den man mal prüfen müsste

Nun muss noch einmal „Medien-Professor“ Haarkötter herhalten. Der studierte Theologe, Philosoph, Soziologe, Philologe und Historiker kann offenbar auch Jura, daher ernennt ihn der Stern auch gleich zum ´Medienanwalt´.

Forsch fordert der Hobbyjurist in der BamS:

„Hier muss geprüft werden, ob ein Verstoß gegen das WDR-Gesetz vorliegt.“

Prüfen kann man natürlich immer vieles, zum Beispiel auch einen Verstoß der ´Hart aber fair´-Redaktion gegen die Haager Landkriegsordnung oder das Bundeskleingartengesetz. Man käme dann freilich zu dem gleichen Ergebnis, wie bei einer Prüfung des WDR-Gesetzes: Ansager & Schnipselmann hat gegen keines dieser Gesetze verstoßen und deshalb hat die BamS auch keinen Juristen gefunden, der sich mit der abwegigen Forderung zitieren lässt, man müsse einen Verstoß gegen das WDR-Gesetz prüfen. Aber was macht das schon? Hauptsache, irgendein Experte für irgendwas hat den Verdacht einmal unreflektiert in den Raum gestellt. Es bleibt schon etwas hängen.

Es ist zu wünschen, dass es der BamS nicht gelingen wird, die Beteiligten beim WDR, beim GDV und bei Ansager & Schnipselmann durch das Provozieren weiterer hektischer Krisenkommunikationsaktionen und – verlautbarungen derart zum Hyperventilieren zu bringen, dass diese Nicht- bis Kaum-Geschichte künstlich am Leben erhalten wird. Die bekannten Mechanismen artifizieller Skandalisierung werden hier allzu deutlich sichtbar und gemahnen zu professioneller Gelassenheit.

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