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Eine Verjüngungskur, bitte!

Die Kommunikationswissenschaft macht es in die Lehre strebenden Absolventen nicht leicht – und hat doch großes Potenzial. Über Perspektiven für den Nachwuchs.

Medienwandel, Medienkrise, Internet-Revolution: Nicht nur die Medienorganisationen durchleben seit einigen Jahren einen Transformationsprozess; auch die Wissenschaft, die sich mit diesen Veränderungen befasst, verändert sich. Als Studienfach haben Medien- und Kommunikationswissenschaften an Attraktivität gewonnen, doch in der Forschung hat der Nachwuchs nach wie vor kaum einen Platz.

Dies liegt größtenteils an den wesentlichen Akteuren, den Wissenschaftlern. Das massenmediale Kommunizieren, obgleich Gegenstand des Faches, ist zumindest außerhalb der akademischen Sphäre teils verpönt, teils haben Wissenschaftler noch immer nicht gelernt, sich so auszurücken, dass sie von einem breiten Publikum verstanden werden. Dies mag sich mit einer neuen Generation von Wissenschaftlern ändern, denen es teilweise leichter fällt, ihre Ergebnisse zu kommunizieren und die sich auch selbstständig an ein breiteres Publikums richten: auf Blogs, Websites, in regelmäßigen Kolumnen oder Artikeln.

Niedriges Gehalt, hoher Druck

Dennoch, diese neue Generation ist schwach besetzt und bekommt nur wenige Anreize. Wie fast überall an der Uni gilt: Die Gehälter sind niedrig, und begrenzte Arbeitsverträge und schlechte Aufstiegsperspektiven halten geeignete Kandidaten ab. In der Schweiz etwa, wo berufliche Einstiegschancen für Hochschulabsolventen sehr gut und die Verdienstmöglichkeiten in der Wirtschaft jene an den Universitäten bei Weitem übersteigen, wird es zunehmend schwieriger, Doktorandenstellen zu besetzen, ein Großteil der Bewerber kommt aus dem Ausland.

Um diesem Problem zu begegnen, forderte jüngst eine Initiative junger Forschender in einem Positionspapier die Schaffung von tausend neuer Assistenzprofessoren, die später in ordentliche Professuren umgewandelt werden sollen, so genannte „tenure track positions“. Außerdem soll der Bruttolohn von Doktorierenden auf umgerechnet mindestens 3.300 Euro angehoben und forschende Frauen mit Kindern stärker gefördert werden. All dies sei notwendig, so die Initiatoren, um die Schweiz nicht nur als Ausbildungs-, sondern auch als Forschungsstandort zu positionieren. Anderenfalls könnten Professuren zukünftig nur noch mit teuren Auslandszukäufen „à la Real Madrid“ besetzt werden.

Die Universität Zürich reagierte und erklärte umgehend die Nachwuchsförderung zum strategischen Zukunftsziel: mehr Masterstudierende, mehr Doktoranden, mehr Assistenzprofessoren sollen in den kommenden Jahren an die Uni geholt werden.

Allein die Umsetzung bleibt abzuwarten, schließlich kosten Assistenzprofessoren weit weniger als ordentliche Professuren, und dass sie leicht zum Karrieresackgasse geraten können, hat sich bereits an einigen Universitäten in Deutschland gezeigt. Die hohe Arbeitsbelastung und geringe Unterstützung lassen kaum Zeit für eigene Forschung, und ehe man sich versieht, ist die finanzielle Förderung ausgelaufen.

Die Abhängigkeit von Fachmagazinen

Der Nachwuchs, der den Schritt an die Uni trotzdem wagt, ist häufig mit hohem Leistungsdruck konfrontiert. Die Anzahl eigener Artikel in Fachzeitschriften ist zum Bewertungsmaßstab geworden, die Konkurrenz ist enorm und verleitet sogar renommierte Professoren dazu, Beiträge mehrfach zu veröffentlichen, um die eigene Publikationsliste zu verlängern. Zudem werden diese Leistungen meist nicht vergütet und selbst Lektorat und Formatierungen müssen die Autoren selbst übernehmen. Gleichwohl verlangen viele Journals hohe Abonnementspreise, die wiederum von Universitäten und Bibliotheken bezahlt werden müssen. Ein Grund, warum die Harvard Universität sich entschlossen hat, auf einige teure Journals zu verzichten und ihre Wissenschaftler dazu aufruft, ihre Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich zu publizieren.

Dies könnte auch eine Perspektive für Nachwuchswissenschaftler unserer Disziplin sein. Wenn sich Institute und betreuende Professoren von dem Dogma der Fachzeitschriften lösen können und dies an junge Forschende weitergeben, wenn diese ihre laufende Forschung auf Universitäts- und Institutsseiten selbstständig präsentieren und sie in frei zugänglichen Foren kommentieren könnten, dann wäre zweierlei gedient: Zum einen würde es einfacher, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, ohne das Renommee eines Professors in Anspruch zu nehmen und damit zwangsläufig als Zweit- oder Drittautor gelistet zu werden.

Zum anderen wären Ergebnisse schneller der Medienöffentlichkeit zugänglich und die Wissenschaft könnte umgehend einen Beitrag zu aktuellen Debatten leisten und diese begleiten. Denn häufig sind es gerade die jungen Forscher, deren Arbeitsalltag noch flexibler ist, die sich aktuellen Medienereignisse widmen und diese schneller erforschen können, als ihre Vorgesetzten.

Illustration: Rita Kohel

Illustration: Rita Kohel

Studierende stärker einbinden

Nachwuchsförderung ist wichtig, dem ist sich auch die deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) bewusst und will zukünftig auch solche Absolventen fördern und einbinden, die erst in die akademische Laufbahn eintreten. Daran sollten sich Unis und Institute ein Beispiel nehmen, denn um Studierende für das Forschungsfeld zu begeistern, müssen diese stärker einbezogen werden, beispielsweise im Rahmen von laufenden Forschungsprojekten, die mit Lehrveranstaltungen verknüpft werden. Nur so können Hemmschwellen abgebaut und Interesse geweckt werden.

Zusätzlich sollten Studierende häufiger die Möglichkeit erhalten, eigene Forschung im Rahmen von Tagungen und Workshops vorzustellen und diskutieren zu können. Realisierbar wäre dies mittels virtueller Konferenzen und digitaler Netzwerke, die zugleich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Und so könnte die Internet-Revolution auch zu einer Zeitenwende in der Kommunikationswissenschaft führen. Allerdings nur, wenn diese auch von den etablierten Wissenschaftlern des Faches aktiv mitgestaltet wird.

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