Zum Inhalt springen

Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist keine Lösung

Aus dem „privaten Lebensbereich“ Angeklagter darf nicht ohne weiteres berichtet werden, lautet ein aktuelles Urteil. Dabei arbeiten Gerichtsreporter längst mit der Schere im Kopf. Was lässt sich aus dem Fall Kachelmann wirklich lernen?

Der Prozeß vor dem Landgericht Mannheim gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann gilt mittlerweile in weiten Kreisen als abschreckendes Beispiel einer Justiz, die sich unter dem Diktat der Medien angeblich derart verändert hat, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe kaum noch gerecht werden kann. Anlässlich dieses Falls wurden die Fragen aufgeworfen, ob die Justiz heute nicht an zu viel Öffentlichkeit leide und wie gegebenenfalls darauf zu reagieren sei.

Dieser Tage erging eine Entscheidung des OLG Köln, die, wenn sie vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht modifiziert werden sollte, für Gerichtsreporter von einschneidender Bedeutung sein könnte: Die Medien dürften Umstände aus dem privaten Lebensbereich eines Angeklagten auch dann nicht ohne weiteres verbreiten, hieß es in Köln, wenn diese in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden seien. Gemeint war die richterliche Vernehmung Kachelmanns, in der er den zwischen ihm und der Anzeigeerstatterin üblichen (einvernehmlichen) Sexualverkehr geschildert hatte. Das Protokoll dieser Vernehmung war in öffentlicher Sitzung verlesen und erörtert worden.

Soll über die Aussage eines Angeklagten beim Haftrichter nicht mehr berichtet werden dürfen, noch dazu, wenn er im Prozess schweigt? Ist seine Sicht nicht von Belang für die Öffentlichkeit? Und was ist unter wenig konkreten Formulierungen wie „nicht ohne weiteres“ oder dem „privaten Lebensbereich“ zu verstehen  Letztlich hat so gut wie alles, was ein Angeklagter oder gegebenenfalls ein Zeuge vor Gericht aussagt, auch mit seinem „privaten Lebensbereich“ zu tun.

Soll sich ausgerechnet die Justiz öffentlicher Kontrolle entziehen?

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Siegfried Kauder, hat sich nach dem Kachelmann-Freispruch denn auch für einen kompletten Ausschluss der Öffentlichkeit von Hauptverhandlungen eingesetzt, in denen es um Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch geht. Er ließ sich mit den Worten zitieren: „Es darf nicht sein, dass die Intimsphäre der Betroffenen bis in den letzten Winkel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird.“

Abgesehen davon, dass die Öffentlichkeit einer Hauptverhandlung zu den herausragenden Errungenschaften eines demokratischen Rechtsstaats gehört – denn warum sollte ausgerechnet die Justiz sich öffentlicher Kontrolle entziehen? – , stoßen Politiker nicht immer dort auf Probleme, wo diese tatsächlich liegen.

Wie kamen die Details aus dem Intimleben des Wettermoderators und seiner zahlreichen Ex- und aktuellen Freundinnen denn an die Öffentlichkeit? Diese Frage wäre als erstes zu stellen gewesen. Kurze Zeit nach Kachelmanns Festnahme war alles, was die Öffentlichkeit nichts angeht, schon in einem Magazin unter dem Titel „Die Akte Kachelmann“ auf dem Markt. Es hatte also ein Leck gegeben, aus dem vor allem die den Tatverdächtigen belastenden Details an die Öffentlichkeit sprudelten. Dass die Verteidigung irgendwann dagegenhielt, damit die Öffentlichkeit auch Entlastendes zur Kenntnis nehmen konnte, ist nicht verwunderlich und auch nicht zu kritisieren.

Aktive bis aggressive Medienarbeit einer Staatsanwaltschaft

Doch wer hatte ein Interesse daran gehabt, Ermittlungsergebnisse zu Lasten Kachelmanns – und zugunsten der ihn beschuldigenden Frau – schon zu verbreiten, als noch niemand einschätzen konnte, wie stichhaltig der Vergewaltigungsvorwurf überhaupt war? Wer hatte ein Interesse daran, für das angebliche Opfer uneingeschränkt Partei zu ergreifen und den Prozess zu einer feministischen Propagandaveranstaltung umzufunktionieren? Der Verteidiger schied als Informationslieferant aus; sein Absicht war es gewiss nicht, den Mandanten öffentlich bloßzustellen.

Wer bleibt? Der Anwalt der Nebenklägerin? Er wäre als so genannter Opferanwalt schlecht beraten gewesen, das Intimleben seiner Mandantin derart in der Öffentlichkeit auszubreiten. Denn sie wurde durch die Veröffentlichung bestimmter Akteninhalte genauso gnadenlos vermarktet wie andere Frauen. Oder war es die Polizei? Gar die sich einer aktiven bis aggressiven Medienarbeit befleißigende Staatsanwaltschaft, die jeden diesbezüglichen Vorwurf jedoch stets zurückwies? Die Damen auf der Geschäftsstelle etwa? Mit einem Total-Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung wäre im Fall Kachelmann nichts zu verhindern gewesen. Es war alles schon passiert.

Profitabler neuer Berufszweig Medienanwalt

Die Medien haben die Justiz, vielleicht sollte man besser sagen: die Strafjustiz, natürlich verändert. Aber das geschah nicht ohne ihr eigenes Zutun. Transparenz ist heute auch in der Justiz angesagt. Man bemüht sich um ein gutes Image. Staatsanwälte treten vor die Kameras, möglichst hell und freundlich gekleidet, und werben für die Richtigkeit ihrer Anklagen. Pressesprecher der Gerichte und vor allem der Staatsanwaltschaften pflegen nicht nur den Kontakt zu den Medien, sondern suchen ihn teilweise ganz gezielt, um ihre Version eines spektakulären Falls darzulegen. Anwälte stehen da nicht zurück und propagieren ihrerseits „Litigation-PR“, also das Beeinflussen – oder Manipulieren – der Medien zugunsten des Mandanten, in der Hoffnung, das Gericht werde sich einer entsprechend positiv gestimmten öffentlichen Meinung beim Urteil nicht widersetzen.

Sogenannte Medienanwälte, ein neuer profitabler Berufszweig, dienen heute vorzugsweise Prominenten oder betuchten Mandanten ihre Dienste an, sobald diese von den Medien wahrgenommen werden. Gerät ein Prominenter mit der Justiz in Konflikt, eröffnet sich für einen Medienanwalt ein schier unbegrenztes Betätigungsfeld. Doch auch der unbekannte Angeklagte findet das Interesse von Medienanwälten, ist die vorgeworfene Tat nur spektakulär genug.

Die Unsicherheit, was inzwischen rechtlich erlaubt oder verboten ist, wächst. Kaum ein Aufsehen erregender Gerichtsfall, der heute nicht ein neues, überraschendes Urteil der – generell wenig medienfreundlichen – Pressekammern generiert. Gestern war das Zitieren aus öffentlicher Hauptverhandlung zulässig. Heute ist es das „nicht ohne weiteres“ mehr. Und morgen? Gewiss ist manches kritikwürdig, was sich die Medien inzwischen herausnehmen, etwa die Praxis, Zeugen noch vor ihrem Auftritt vor Gericht „einzukaufen“, um mit ihrer Aussage Auflage und Einschaltquote zu steigern.

Aber nicht weniger kritikwürdig sind die Versuche mancher Medienanwälte, die Berichterstattung im Sinne ihrer Mandanten zu beeinflussen, ja, die Oberhoheit darüber zu erlangen. Die Gerichte übersehen dabei oft das Eigeninteresse von Anwälten, die nicht immer nur das Wohl ihrer Mandanten, sondern durchaus auch das eigene im Blick haben. Journalisten aber sind nicht die Büttel Prominenter oder Reicher oder bestimmter Rechtsbeistände. Ihre Aufgabe ist es nicht, Karrieren wunschgemäß zu fördern oder Sachverhalte zu schönen. Andererseits gebietet es schon das journalistische Ethos, Menschen durch Berichterstattung nicht zu verletzen oder gar zu vernichten.

Schere im Kopf professioneller Gerichtsreporter

Der professionelle Gerichtsreporter aber arbeitet mittlerweile längst mit der Schere im Kopf. Er beschreibt heute Personen, deren Gesichter gepixelt werden, die keinen Namen haben, kein identifizierbares Umfeld und allenfalls eine mit dürren Worten zitierbare Biografie. Bei jedem Detail hat er zu bedenken, ob er sich damit nicht Ärger einhandelt. Er nimmt sehr wohl wahr, wie gefährlich das Gelände, auf dem er sich bewegt, geworden ist. Er weiß in der Regel durchaus um seine Verantwortung und bemüht sich um Rücksicht auf Angehörige des Angeklagten oder der Opfer. Doch welcher Journalist fühlt sich nicht bedroht von der Ankündigung Einstweiliger Verfügungen und Schadensersatzforderungen, die ihm Medienanwälte zum Teil „rein vorsorglich“ für den Fall, dass er nicht kooperiert, zukommen lassen? Einer unbeeinflussten Berichterstattung ist dies nicht förderlich. Man überlegt zweimal – und geht Unannehmlichkeiten dann doch lieber aus dem Weg. Denn nicht jedem Journalisten stärkt ein mächtiger Arbeitgeber den Rücken; nicht jeder wird von einer versierten Rechtsabteilung unterstützt.

An den „Fall Stephanie“ in Dresden erinnert sich noch jedermann. Da kletterte nämlich der Angeklagte, der die 13-Jährige entführt und in seiner Wohnung wochenlang missbraucht hatte, während der Hauptverhandlung auf das Dach des Gefängnisses. Er stieg der Justiz buchstäblich aufs Dach, und spektakuläre Fotos davon gingen in alle Welt. In Erinnerung blieb den Gerichtsreportern aber noch etwas anderes: Ein so genannter „Opferjurist“ – kein Anwalt, denn er hatte nur das erste juristische Staatsexamen – bedrängte die Medien im Vorfeld des Prozesses, in seinem Sinn zu berichten. Sein Ziel war, die Dresdner Staatsanwaltschaft, die nur einen Teil der Fälle angeklagt hatte, von den Medien in Misskredit bringen zu lassen. Hintergrund: Der Opferjurist beabsichtigte, nach dem Urteil möglichst hohen Schadensersatz beim Land Sachsen zu erwirken. Wer bei diesem bösen Spiel mittat, dem winkte er mit Akteneinsicht.

Doch warum enthielt die Anklageschrift nicht alle Übergriffe? Die Erklärung war einfach: Der Angeklagte hatte einen Teil seiner Taten auf Video aufgenommen, was zur Verhängung der Höchststrafe allemal reichte. Zur Aufklärung weiterer Taten aber hätte das Mädchen als Zeugin aussagen müssen. Das wollte die Justiz ihm ersparen.

Medienberater zur „Pflege“ der Berichterstatter

Ein Extremfall? Jener Opferjurist treibt noch immer sein Unwesen. Und andere tun es ihm gleich. Im Prozess gegen den Sohn eines Hamburger Stadtplan-Verlegers trat ein ehemaliger Bild-Chefredakteur, heute Medienberater, zur „Pflege“ der Berichterstatter an. Da es sich um eine spröde, für Laien kaum durchschaubare Wirtschaftssache handelte, war er für manchen Gerichtsreporter ein willkommener Gesprächspartner. Auch hier lautete der Deal: ausgesuchte Akten gegen unkritische Berichterstattung.

Zurück zum Kachelmann-Prozess. Er krankte nicht nur an einer vorverurteilenden Informationsverbreitung weit vor Anklageerhebung. Geradezu konträr dazu verlief dann die Hauptverhandlung. Kaum ein Strafverfahren, in dem das Publikum so oft aus dem Saal geschickt wurde, mit der Folge unter anderem, dass die bereits im Vorfeld bekannt gewordenen Akteninhalte als Ersatz für die verhinderte Beobachtung des Verfahrens weitere Verbreitung fanden. Wer kümmerte sich noch um die Zulässigkeit von Zitaten aus noch nicht erstatteten Gutachten? Man kannte den Inhalt, man kannte die Ergebnisse. Dass die Journaille dann des Saales verwiesen wurde, als die Expertisen vorgetragen wurden – es war schon absurd.

Ebenso absurd war es, als eine Reihe von Zeuginnen darauf bestand, ohne Öffentlichkeit vor Gericht aussagen zu dürfen – nicht aus Scham ob der intimen Details, die möglicherweise zur Sprache kommen würden, sondern weil sich die Zeuginnen exklusiv an einen Verlag gebunden hatten, der ihre angeblichen Erlebnisse mit dem Angeklagten während des laufenden Strafverfahrens in Wort und Bild vermarktete. Das Publikum konnte dann in einer Illustrierten lesen, was es im Gericht nicht hatte erfahren dürfen.

Sender und Verlage zählen die Klicks

Der Kachelmann-Prozeß ist da kein Einzelfall. Im Inzest-Prozess von Fluterschen, der in Koblenz stattfand, erschien just zu Beginn der Hauptverhandlung ebenfalls in einer Illustrierten ein ausführlicher Bericht über die angeklagten Taten, garniert mit Fotos der wie Models hergerichteten Opfer und ihrer Anwältinnen. Vor Gericht beantragten eben jene Anwältinnen dann den Ausschluss der Öffentlichkeit, als ihre Mandantinnen als Opferzeugen aussagen sollten. Auch das psychiatrische Gutachten wurde ohne Publikum vorgetragen und erörtert. Richter, die den Anträgen der Nebenklage und vor allem der Zeugenbeistände pflichtschuldigst nachkommen, fühlen sich in solchen Fällen regelmäßig düpiert.

Wenn das Publikum nach Informationen giert, auch das zeigte der Kachelmann-Prozess, kann ein ausufernder Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung durchaus umschifft werden. Die Sender und Verlage zählten damals die Klicks ihrer Online-Nutzer und verlangten entsprechend häufige Berichterstattung. Da auf dem Flur des Mannheimer Landgerichts nichts zu erfahren war, blühten Gerüchte und Spekulationen. In den Medien und vor allem in Internet-Blogs schien ein eigener Prozess außerhalb des Gerichtssaals stattzufinden. Am Ende berichteten die Journalisten zum Teil übereinander, nur um dem Interesse der Leser und Zuschauer nachzukommen.Ein weiteres Beispiel dafür ist der nicht enden wollende Prozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Im Internet lässt sich nachlesen, was der Nebenkläger, der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts, über jeden Verhandlungstag denkt. Was er vom Gericht hält, von der Bundesanwaltschaft, welche Zeugen er als glaubhaft bzw. unglaubwürdig einschätzt und wie er sich den Tatablauf vorstellt. Wer sich über den Prozess aus dieser Quelle informiert und die Sicht eines emotional hochengagierten Hinterbliebenen übernimmt, dem bietet sich ein völlig anderes Bild dar als das, welches der professionelle Gerichtsreporter im Gerichtssaal gewinnt. So etwas hat es bisher nicht gegeben.

Ahnungslosigkeit ist keine journalistische Tugend

Die Berichterstatter im Kachelmann-Prozess zogen sich vielfache Kritik zu. Es hieß, „die Medien“ hätten „Druck“ auf das Gericht ausgeübt, so dass ein gerechtes Urteil gar nicht mehr habe gesprochen werden können. Doch wer sind eigentlich „die Medien“? Es wurde wie so oft in unterschiedlichster Weise – für und gegen, neutral und kampagnenmäßig, qualifiziert und kenntnislos – berichtet. Im Mannheimer Gerichtssaal saßen Journalisten, die schon hunderte von Verfahren verfolgt haben, also verstanden, was sich abspielte. Neulinge hingegen registrierten erstaunt, dass es in der realen Justiz etwas anders zugeht als im Fernsehen bei Alexander Holt oder Barbara Salesch. Alice Schwarzer erklärte einem Millionenpublikum, die Unschuldsvermutung sollte beim Vorwurf der Vergewaltigung endlich durch eine Schuldvermutung ersetzt werden, und die Reporter der „Bunten“ verschickten Blumensträuße an die Nebenklägerin und weitere Zeuginnen – wohl nicht aus Nächstenliebe, sondern zur Pflege des Geschäftsklimas. Ein Gericht, das von solchen Medien umtobt wird, kann gar nicht anders, als Augen und Ohren zu verschließen und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Doch Feuilletonisten und angebliche Medienexperten ereiferten sich trotzdem über jene, die jeden Sitzungstag im fensterlosen Mannheimer Gerichtssaal absolvierten und den Verlauf des Strafverfahrens reportierten. Wer sich mit Gerichtsberichterstattung befasst, sollte allerdings wissen, dass es in jedem Prozess einen Punkt gibt, von dem an eine Verurteilung entweder immer wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher wird. So zu tun, als sei man völlig ahnungslos, wäre Heuchelei. Ahnungslosigkeit ist überdies auch keine journalistische Tugend. Die Fähigkeit, einen Prozess „lesen“ zu können, hat nichts mit Voreingenommenheit oder gar Parteinahme zu tun. Hätte die Staatsanwaltschaft Beweise für die Schuld des Angeklagten präsentieren können, wäre darüber berichtet worden. Im Fall Kachelmann musste das Fehlen von Beweisen dargestellt werden.

Eine der wichtigsten Lehren aus dem Kachelmann-Prozess

Was hingegen tatsächlich kritikwürdig war: dass die Kammer Kachelmann trotz mangelhaftester Beweislage nicht aus der U-Haft entlassen wollte; dass die Richter sich vom bunten Sexualleben des Wettermoderators und seinen falschen Liebesschwüren offenbar mehr beeindrucken ließen als von der Fragwürdigkeit der Verdachtsmomente; dass die Staatsanwaltschaft einseitig informierte – das alles lag nicht an „den“ Medien, sondern an der Voreingenommenheit der Staatsanwaltschaft und der Unsicherheit, ja Schwäche der Richter. Und darüber wurde auch seriös berichtet.

Wie ist den Auswüchsen zu begegnen? Vermutlich nur durch noch mehr Professionalität all jener, die sich auf der Bühne des Strafprozesses begegnen. Richter müssen mit der zunehmenden Medienpräsenz ebenso umzugehen lernen wie sie sich etwa der neuen Rolle des Opfers zu stellen haben. Die Medien sind nicht ihre Feinde, ihre Arbeit ist zu respektieren. Im Gegenzug sollten nur Journalisten mit Prozess-Berichterstattung betraut werden – und dass das Gegenteil oft der Fall ist, liegt nicht in der Verantwortung des einzelnen, sondern von Chefredakteuren und Medienmanagern -, die zumindest über ein Minimum an Sachkunde verfügen. Niemand würde einen Laien ein bedeutendes Fußballspiel oder eine Neuinszenierung in der Oper kommentieren lassen. Ins Gericht aber wagen sich selbst ernannte Experten und vor allem Expertinnen, die oft genug eine feste Meinung, aber keine Ahnung haben. Beschädigt werden dadurch nicht nur Einzelpersonen, sondern letztlich der Rechtsstaat. Das ist vermutlich eine der wichtigsten Lehren aus dem Kachelmann-Prozess.

Nach oben