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Versuch einer Self-Destroying-Prophecy

Hitzlsperger Superstar: Nach dem Coming-Out von Fußballspieler Thomas Hitzlsperger haben sich die Medien gleichgeschaltet. Zeit, dass sich was dreht.

To Whom it may concern

Haben Sie als Journalistin oder Journalist nicht auch das Gefühl, dass dieses Hitzlsperger-Thema jetzt langsam mal in eine debattenreife Form gegossen werden sollte? Dass da jetzt mal ein Dreh her muss, ein Kick, damit wir alle noch etwas länger was daran haben?

Okay. Dann machen wir folgenden Deal: Ich schenke Ihnen den folgenden Text. Alle darin enthaltenen Thesen sind ihr geistiges Eigentum. Wirklich! Ich gönne Ihnen das Gefühl, als einziger gegen den Mainstream zu denken.

Die einzige Bedingung: Sie werden das nicht veröffentlichen! 

Deal?

Okay, geht los:

Was für eine Heuchelei! Alle tun so, als ob das so genannte Outing von Thomas Hitzlsperger irgendetwas mit Mut zu tun hätte. Dabei muss ihm doch vorher klar gewesen sein, dass alle ihn als Helden feiern würden. Mut hat etwas mit Risiko zu tun. Doch ein solches Risiko hat es nicht gegeben. Im Gegenteil. Jeder Journalist, der etwas anderes als „super“ geschrieben hätte, wäre medial gesteinigt worden.

Clever hat Hitzlsperger die mediale Befindlichkeitsduselei für den Aufbau einer modernen Heldenlegende genutzt. Einen besseren Start für die Karriere nach der Karriere kann man sich jedenfalls gar nicht vorstellen. Die meisten Ehemaligen müssen ganz von vorne beginnen, um wieder eine neue Aufgabe für ihr Leben zu finden. Und die, die weiter eine untragische Rolle in der Öffentlichkeit spielen wollen, müssen mit viel Aufwand irgendeine noch nicht überbesetzte Charity-Nische finden, Stiftungen gründen und sich dauernd von den Medien fragen lassen, ob sie mit ihren neuen Leben klar kommen.

Bei Hitzlsperger ist es genau anders herum. Sein neues Leben bekommt sogar den Segen der Kanzlerin. Ohne irgendetwas getan zu haben, ist er schon jetzt ein Held, der gar nichts mehr falsch machen kann. Jede Kritik, jede Frage danach, ob denn die Aufmerksamkeit um dieses Outing nicht etwas übertrieben ist, wird als Beweis für den Mut des ehemaligen Spielers gewertet werden.

Aber warum braucht man Mut für etwas, das doch angeblich so normal ist? Wieso haben eigentlich Schwule so viele Jahre dafür gekämpft, anders sein zu dürfen, wenn sie jetzt ihr Anderssein so in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zerren? Vermarkten sie nicht eigentlich doch ihre Nicht-Norm, fühlen und inszenieren sich als etwas Besonderes „und das ist gut so“? Wenn so ein Outing wirklich dazu führt, dass man dadurch ein besseres Leben führen kann, warum fühlen sich dann alle gerade dazu bemüssigt, Hitzlsperger jede mögliche Hilfestellung zu versprechen? Wenn alles doch alles gut ist, warum muss man da so ein Ding daraus machen?

Liebe Journalistinnen und Journalisten, falls ich Ihnen aus der Seele spreche, haben Sie ein Problem. Machen Sie es bitte nicht noch schlimmer und verschonen ihre Leser damit.

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