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dbate: Nicht gegen, sondern für das Fernsehen

Heute startet mit dbate.de eine Videoplattform, auf der sich Zuschauer in die Entwicklung neuer Formate explizit einmischen sollen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stephan Lamby, warum das Projekt notwendig ist.

autor_stephan-lambyVOCER: Herr Lamby, heute startet Ihre TV-Produktionsfirma Eco Media die Online-Plattform dbate. Was genau verbirgt sich dahinter?

Stephan Lamby: dbate ist eine journalistische Videoplattform, die wesentlich auf der Kraft sozialer Medien aufbaut. Wir nutzen bewegte Bilder sowie Aussagen von Augenzeugen und bereiten sie journalistisch auf, dazu gleich mehr. Dann führen wir Skype-Interviews. Wir bauen also auf dem auf, was wir im Netz finden, und machen aus disparatem Material und eigens produzierten Videos neue Filme, um sie anschließend zur Diskussion zu stellen.

Diese Mischform aus eigenem Material, Video-Tagebüchern von Usern und Skype-Interviews haben sie bereits mehrfach erprobt. Wie genau sind Sie auf die Idee zu dieser neuen Darstellungsform gekommen?

Im März 2011 haben wir darüber nachgedacht, wie wir als Dokumentaristen sehr schnell einen Film über die Naturkatastrophe in Japan machen konnten. Denn weder ließ sich damals innerhalb der Kürze der Zeit ein ausreichend großes Budget für eine Dokumentation auftreiben, noch konnten wir bei den vielen Stromausfällen und der Radioaktivität vor Ort drehen. Also haben wir auf YouTube recherchiert, was Anwohner über den Tsunami an Material veröffentlicht hatten, haben mit ihnen Kontakt aufgenommen und haben Skype-Interviews mit ihnen geführt. Das war aufgrund der Stromausfälle, sprachlicher und zeitlicher Schwierigkeiten zwar auch schwierig, aber es hat geklappt: Wir waren die erste Produktionsfirma mit einer Dokumentation zum Tsunami, und gleichzeitig waren wir – nach unserem Wissen – die erste Doku, die auf Skype gesetzt hat.

Die Doku lief schließlich bei ZDFinfo. Gab es seitens des Senders anfänglich Vorbehalte gegenüber der neuen Produktionsart?

Der Sender hat keine Dreiviertelstunde, sondern zunächst 15 Minuten der Doku gezeigt, um das neue Format auszuprobieren. Man muss aber dazu sagen, dass ZDFinfo sein Programmschema schneller zu ändern bereit ist als andere Sender und auch offener mit neuen journalistischen Formen umgeht.

Das ist sehr löblich, zumal das TV – insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender – sehr starr in ihrer Programmplanung und -gestaltung sind. War der Wunsch nach Erneuerung auch ein Grund für Sie, Ihre neue journalistische Darstellungsform umzusetzen?

Im Fernsehen hat sich lange Zeit wenig getan. Aber wir sind nicht da, um gegen das Fernsehen zu kämpfen – wir arbeiten ja als Produktionsfirma weiterhin gerne für Fernsehsender. Wir wollen die bestehenden Angebote ergänzen. Was wir bei unseren Experimenten im Netz an Erfahrung sammeln, kann sich am Ende ja auch positiv aufs Fernsehen auswirken. Aber vorrangig legen wir Wert darauf, Themen anzufassen, die im Fernsehen womöglich wenig Chancen haben, und neue Formen zu entwickeln.

Wie fand Ihre neue Form ihren Weg ins Netz?

Zu unserer Produktionsweise gab es viel positives Feedback in der Presse und auch seitens der Sender. Das hat uns dazu animiert, bei weiteren Gelegenheiten ähnlich zu arbeiten. Was beim Bürgerkrieg in Syrien passiert ist, konnten wir jedoch nicht wirklich überblicken und haben deshalb die Finger davon gelassen. Aber mit der Kiew-Doku „Meine Revolution“ und mit „Mein Leben unter Erdogan“ haben wir nach demselben Verfahren gearbeitet, die Ideen ausgewertet und schließlich dbate.de entwickelt.

Wie sehen die Beiträge auf der Plattform aus?

Die Filme sind auch im Netz ebenso wie im Fernsehen in aller Regel 30 bis 45 Minuten lang, wir erzählen sie nur anders: Wir haben festgestellt, dass die durchschnittliche Verweildauer bei Videos online bei sechs bis sieben Minuten liegt. Deshalb sind unsere Filme in Episoden unterteilt, die wir in Zukunft immer montags und mittwochs online stellen.

Welches Themenspektrum haben Sie dabei im Blick?

Die Plattform heißt nicht ohne Grund dbate.de: Wir sind daran interessiert, Debatten zu führen. Unsere Arbeitsheadline lautet dabei „No pets, no porn“. Es geht uns nicht um Trallala und schnelle Klicks, sondern um qualitativ hochwertige Filme und Interviews, die User kommentieren können.

Mit welchem Tool arbeiten Sie dabei?

User können sich über Disqus anmelden und mitdiskutieren. Wir moderieren die Diskussionen über das Tool, das heißt auch, dass wir darauf achten, dass niemand gegen geltendes Recht verstößt. Wer uns Videobeiträge zusenden will, kann das auch gerne tun. Wir prüfen dann natürlich, ob das Material tatsächlich von der Person stammt und auch, ob es bestimmte formale Kriterien erfüllt und in unser Konzept passt. Es ist aber auf jeden Fall Konzept von dbate.de, dass wir auch bewegte Bilder von außen annehmen.

Haben Sie Ihr Team für dbate aufgestockt?

Eco Media gibt es seit 17 Jahren, zur Zeit haben wir etwa zehn feste und 25 freie Autoren, Cutter und Rechercheure, die regelmäßig für uns arbeiten. Für dbate.de haben wir unser Team um einen weitere Producerin und einen Volontär erweitert, außerdem um Cutter, fest wie frei.

Woher kommt das Geld für die Plattform?

Wir finanzieren dbate durch den Verkauf von Videotagebüchern ans Fernsehen. Zur Zeit kooperieren wir mit dem WDR und ZDFinfo, bei denen einige unserer Videotagebücher laufen werden, Für den WDR wird gerade eine Reihe von Videotagebüchern hergestellt. Darin geht es unter anderem um Körperkult im Internet und das Leben von Krebskranken. Die Reihe soll im Frühjahr 2015 auf dbate.de gezeigt und im WDR ausgestrahlt werden. Für ZDFinfo entstehen mehrere Videotagebücher zum Beispiel über radikale Fußballfans. Der Film „Mein Leben im All“ ist unter anderem ab sofort auf dbate.de zu sehen und wird in dieser Woche auf ZDFinfo gezeigt. Außerdem sind wir in Gesprächen mit Phoenix und Deutsche Welle TV.

Ihre Plattform setzt auf die Partizipation der User. Warum glauben Sie so fest daran, dass User tatsächlich partizipieren wollen?

Bertolt Brecht hat in seiner Radiotheorie Ende der 20er Jahre bereits davon gesprochen, dass das Medium Radio von einem Distributionskanal in einen Kommunikationskanal verwandelt werden muss. Mit dem Internet ist jetzt ein Medium da, das nicht mehr nur Informationen von oben nach unten sendet, sondern auch umgekehrt. Das Potential zum gegenseitigen Austausch und zur Debatte ist ohne jeden Zweifel vorhanden. Bei all dem, was Edward Snowden aufgedeckt hat, darf man nicht vergessen, dass das Internet auch große demokratische Möglichkeiten birgt. Auf Facebook finden jeden Tag Diskussionen statt. Da werden mir Informationen auch von Nutzern aus den USA oder Japan zugespielt, die ich gar nicht kenne. Auch YouTube ist ein Indiz dafür, dass es Plattformen gibt, die nicht nur als Marktplatz für Marketing und Werbung dienen, sondern dass Menschen das Bedürfnis haben, sich mitzuteilen und mit anderen Menschen zu diskutieren.

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