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10 (ideale) Tugenden und Werte für junge Journalisten von morgen

Die Journalistenausbildung wandelt sich im Zuge der Digitalisierung grundlegend. Alles schön und gut – aber für Marcus Nicolini gibt es zehn Tugenden und Werte, die junge Journalisten auch in der digitalen Welt beherzigen sollten.

Dass angehende Journalistinnen und Journalisten das digitale, crossmediale Handwerk erlernen müssen, um in der Medienlandschaft von morgen und übermorgen bestehen zu können, ist selbstverständlich. Zeitlos gültiges journalistisches Handwerk wie Recherche und Darstellungsformen muss schon in der Ausbildung in die digitale Welt überführt werden. Fachlich gefragt ist der junge Journalist, der Geschichten multimedial denken und erzählen kann. Der Datenjournalismus mit Excel und Programmierkenntnissen zu kombinieren versteht. Der in Rechercheverbünden in Teamarbeit seine Kompetenzen in Rechercheprojekte einbringt, auch innerhalb einer Redaktion.

Doch welche persönlichen Kompetenzen, Werte und Tugenden müssen junge Menschen mitbringen, die Journalist werden wollen? Dazu zehn Thesen.

1. Sich selbst entdecken!

Lernen Sie eigene Stärken und Schwächen kennen. Probieren Sie Talente aus, haben Sie keine Angst vor unbekannten Mediengattungen. Lassen Sie Fehler zu und akzeptieren Sie, wenn mal etwas nicht sofort perfekt klappt. Wer das für sich Bestmögliche gibt, macht alles richtig. Akzeptieren Sie sich selbst und ihre Fähigkeiten, aber auch die Schwächen, statt sich in Selbstoptimierung zu versuchen. Nutzen Sie Chancen, die sich in Schule und Studium bieten. Greifen Sie Herzenswünsche auf – welche Redaktion in welcher Stadt, welcher Region, welchem Land reizt mich? Keine Angst, Neuland zu betreten! Die wichtigste Frage an Sie selbst ist: Welchem Traum folge ich, welcher Sehnsucht?

2. Die richtige Einstellung haben!

Journalismus ist Berufung, nicht einfach ein Beruf. Es geht um das Aufdecken von Missständen, das Hinweisen auf beispielhafte Ansätze und damit nicht weniger als um die Stabilität unserer Demokratie. Vor Ort, in der Region, im Bund, in Europa, und wenn möglich weltweit. Das verlangt eine gewisse Haltung der Demut vor der Aufgabe als Journalistin bzw. Journalist. Seien Sie sich der Fallen bewusst. Als da wäre insbesondere die Eitelkeit. Zu meinen, mit missionarischem Eifer die Welt verändern zu wollen, ist keine gute Voraussetzung für den Journalistenberuf. Besserwissertum, also den Lesern sagen zu wollen, was sie denken sollen, trägt nicht zur Glaubwürdigkeit des Berufsstands bei.

3. Neugierig sein!

Journalisten müssen neugierig sein und den Dingen auf den Grund gehen wollen. Wenn Sie nicht gern hinter die Kulissen schauen, lassen Sie lieber die Finger vom Journalistenberuf. Suchen Sie hartnäckig die Wahrheit in einem Sachverhalt. Geben Sie sich nie mit dem Offensichtlichen zufrieden – das heißt auch, selbst dem vertrauenswürdigsten Pressesprecher niemals so ganz zu vertrauen. Jedenfalls, wenn er in seiner Funktion spricht. Fragen Sie sich immer, welches Interesse jemand hat, Ihnen etwas zu erzählen.

4. Wahrheit und Wahrhaftigkeit

Helmut Markwort hat in seiner Zeit beim FOCUS den Werbeslogang „Fakten, Fakten, Fakten [und immer an die Leser denken…]“ geprägt. Das Streben nach Wahrheit und Fakten ist der Kern journalistischer Glaubwürdigkeit. Und das bleibt er auch in digitalen Zeiten. Bleiben Sie bei den Fakten, ordnen Sie die Tatsachen niemals der Story unter. Streben Sie die größtmögliche Wahrheit des Geschehenen an, aber wissen Sie um die Relativität der eigenen Wahrnehmung. Die subjektive Wahrheit des anderen ist im Zweifelsfall eine andere als Ihre eigene. Lassen Sie beide Seiten zu Wort kommen. Die Bewertung hat ihren Platz im Kommentar. Das Vorgehen bei der Recherche transparent werden zu lassen, ohne Informationsquellen preiszugeben, trägt zur Glaubwürdigkeit als Journalist bei.

5. Sorgfalt und Verantwortung

Hinterlassen Sie keinen Ort der Recherche so, dass nicht noch ein anderer Journalist wiederkommen kann. Interviewpartner und Protagonisten dürfen sich nicht hintergangen fühlen. Wir haben es bei der Recherche mit Menschen zu tun, die sich darauf verlassen können müssen, dass Journalisten nicht nur auf die schnelle Schlagzeile aus sind.

6. Haltung und authentisch sein

Journalisten müssen neutral berichten, aber in Kommentaren und durch Themenauswahl und Füllen des Schlagworts „Relevanz“ Meinung und Haltung zeigen. Sie müssen ihre Haltung begründen können. Üben Sie Standhaftigkeit ein, indem Sie sich mit Positionen zu gesellschaftlich aktuellen Themen vertraut machen. Nicht die Kunst der Überzeugung anderer in Talkshows oder im Expertengespräch ist für Journalisten wichtig, sondern in der Komplexität heutiger Themenfelder eine eigene Meinung zu finden und sie in Kommentaren vertreten zu können. Insbesondere in Kommentarfunktionen in Social Media-Kanälen gilt das alte Diktum „Journalisten machen sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten“ von HaJo Friedrichs nicht mehr. Hier ist Haltung gefragt, nicht neutrales Abwägen.

7. Neues Hinhören einüben

Nach außen: Hören Sie wertschätzend und empathisch zu, wenn Sie in der Recherche mit Menschen sprechen. Nicht sofort werten, bewerten und in Schubladen einordnen, auch wenn es schwerfällt. Nach innen: Es ist wichtig, das eigene Tun zu reflektieren. Ist das noch in Ordnung, was ich mache und wie ich es mache? Was bewirkt mein Handeln als Journalist bei anderen Menschen?

8. Spezialisierter Generalist gesucht!

Junge Journalisten sollten über eine gute Allgemeinbildung verfügen. Sie brauchen Querschnittswissen aus möglichst vielen Themenbereichen. Gefragt ist der spezialisierte Generalist. Probieren Sie neue digitale Tools aus, und seien Sie sich bewusst, dass was heute hip ist, morgen schon wieder out sein kann. Achten Sie daher journalistisches Grundlagenwissen nicht gering. Es ist die Basis für Ihren Erfolg. Es gibt allein 351 Tageszeitungen in Deutschland, davon 129 mit Vollredaktionen – bei den meisten steckt die Umsetzung des digitalen Wandels noch in den Kinderschuhen. Wer Recherchekompetenz, profundes Wissen klassischer Darstellungsformen und neue digitale Erzählformen und Vertriebskanäle kombinieren kann, wird morgen gefragt sein. Dazu schadet es nicht, wenn Sie verlässlich und pünktlich sind, strukturiert arbeiten können und Klarheit im Denken mitbringen.

9. Vorbild sein!

Journalisten halten der Gesellschaft den Spiegel vor. Gleichzeitig wird das Bild, das die Gesellschaft von den Medien hat, durch jeden einzelnen Journalisten geprägt. Also durch Sie. Wie Sie sich als Journalist verhalten, so nehmen andere Sie und damit einen ganzen Berufsstand wahr.

10. Gelassenheit, Vertrauen und Humor

Nehmen Sie sich und die Frage der richtigen Berufswahlentscheidung nicht zu ernst. Entscheidungen können geändert werden. Immer wieder. Haben Sie Vertrauen, dass Ihre Talente und Fähigkeiten für ein Berufsleben reichen werden. Nur die Ängstlichen meinen, nach Journalistikstudium nebst studienbegleitender Journalistenausbildung wie die Journalistische Nachwuchsförderung noch eine Journalistenschule und einen Master an einer amerikanischen Journalist School absolvieren zu müssen. Die Realisten wissen, dass man Schwimmen nur im Becken lernt. Last but not least: Über meinem Schreibtisch hängt ein vergilbter Zettel, auf den vor 14 Jahren der damalige Radiodirektor einer deutschen Rundfunkanstalt den für mich damals wie heute gültigen Rat schrieb: „Geduld, Geduld, es wird schon!“


Der Beitrag ist die schriftliche Fassung eines Vortrags, den der Autor am 17. April 2016 bei der 4. Excellence and Leadership-Akademie von „F!rstlife“ vor jungen Zuhörern in Königswinter gehalten hat. In der kommenden Woche schreiben an dieser Stelle Britta Gossel von der TU Ilmenau und die freie Journalistin Kathrin Konyen über die Frage, welchen Input die Wissenschaft zu einer zeitgemäßen Journalistenausbildung leisten kann.

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